Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer. Anstellungsvertrag. Rechtsmacht. echte Sperrminorität muss gesamte Unternehmenstätigkeit erfassen. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Eine die Annahme von Beschäftigung ausschließende Sperrminorität des Gesellschafter-Geschäftsführers muss sich auf alle Geschäfte der Gesellschaft beziehen, insbesondere auch die Geschäfte des gewöhnlichen Betriebes. Denn die aus § 37 Abs. 1 GmbHG folgende umfassende und grundsätzliche Weisungsunterworfenheit der Geschäftsführer gegenüber den Gesellschaftern erstreckt sich nicht nur auf die im Gesellschaftsvertrag aufgeführten, einen Beschluss der Gesellschafterversammlung erfordernden Geschäfte, sondern auf alle Tätigkeiten. Daran ändert der Umstand nichts, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer einen Beschluss der Gesellschafterversammlung über seine eigene Abberufung verhindern kann.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 28.03.2019 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden im Verhältnis von Klägerin und Beklagter gegeneinander aufgehoben. Der Beigeladene hat seine Kosten selbst zu tragen.
Tatbestand
Streitig ist der versicherungsrechtliche Status des Beigeladenen in Bezug auf die gesetzliche Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung in seiner Tätigkeit als am Stammkapital der Klägerin beteiligter Geschäftsführer (Gesellschafter-Geschäftsführer) für die Zeit vom 04.03.2016 bis 28.02.2018.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GmbH) den Erwerb und die Bebauung von Grundstücken, insbesondere mit Wohn- und Geschäftsräumen, ferner den Verkauf der bebauten Grundstücke, auch als Wohnungs- und Teileigentum, sowie den An- und Verkauf von bebauten und unbebauten Grundstücken und schließlich die Planung, Bauleitung und Projektüberwachung im Zusammenhang mit der Bebauung von Immobilien (§ 3 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages). Sie wurde von drei Gesellschaftern, darunter dem Beigeladenen, am 14.03.2016 gegründet (Abschluss des Gesellschaftsvertrages an diesem Tag, notarielle Beurkundung der Errichtung an diesem Tag) und am 04.05.2016 in das Handelsregister eingetragen. Ebenfalls am 04.03.2016 bestellten sich die drei Gesellschafter einstimmig zu Geschäftsführern, wobei jeder Geschäftsführer zur Vertretung der Gesellschaft einzeln befugt und von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreit wurde (vgl. Bl. 15 VA). Jeder der Gesellschafter verfügt über den gleichen Anteil am Gesellschaftsvermögen der Klägerin (8.400,00 € = ein Drittel des Stammkapitals, vgl. § 5 Nr. 1 und 2 des Gesellschaftsvertrages).
In § 6 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages ist u.a. vorgesehen, dass die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss erfolgt. Nach § 6 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages bedürfen die Geschäftsführer im Innenverhältnis der vorherigen Zustimmung durch Gesellschafterbeschluss für alle Geschäfte, die über den gewöhnlichen Betrieb der Gesellschaft hinausgehen (Satz 1), wobei in Satz 2 bestimmte Geschäfte als hierzu insbesondere zählend aufgeführt sind, u.a. Anschaffung oder Investitionen, die im Einzelfall über 5.000,00 € liegen. In Satz 3 ist geregelt, dass die Gesellschafter mit der für eine Satzungsänderung erforderlichen Mehrheit beschließen, dass dieser Katalog erweitert oder eingeschränkt wird. Nach § 7 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages entscheiden die Gesellschafter - soweit nicht zwingend anderes vorgesehen ist - in allen Angelegenheiten der Gesellschaft durch Beschlussfassung mit der Mehrheit aller Gesellschafter. Nur mit 100% der Stimmen aller Gesellschafter können nach § 7 Nr. 2 eine Änderung des Gesellschaftsvertrages, die Auflösung der Gesellschaft und (Buchst. c) die Beschlüsse u.a. nach § 6 des Gesellschaftsvertrages beschlossen werden. Hinsichtlich sämtlicher Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag Bl. 19 ff. VA Bezug genommen.
Ebenfalls am 04.03.2016 wurde zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen ein Anstellungsvertrag geschlossen, wonach der Beigeladene alle Funktionen eines Geschäftsführers der Gesellschaft, die im Rahmen der Tätigkeit des Unternehmens anfallen, übernimmt (§ 1 Nr. 1 des Anstellungsvertrages). § 1 Nr. 4 des Anstellungsvertrages sieht vor, dass für Geschäfte, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen, der Geschäftsführer die Einwilligung der Gesellschafterversammlung einholt, wie im Gesellschaftsvertrag geregelt. In der Gestaltung seiner Arbeitszeit ist der Beigeladene frei (§ 2 des Anstellungsvertrages). Er kann den Vertrag mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Halbjahres kündigen, während die Klägerin den Vertrag nur aus wichtigem Grund kündigen kann (§ 4 Nr. 1 und 2 des Anstellungsvertrages). Als Vergütung erhält der Beigeladene für seine Tätigkeit ein Jahresgehalt in Höhe von 6.000,00 €, das in zwölf ...