Entscheidungsstichwort (Thema)
Qualifikationsgruppeneinstufung. polnische Beitragszeit als "Jüngerer Bergmann unter Tage". Bergbau-Berufsschule. Qualifikationsgruppe 4
Leitsatz (amtlich)
Die in Polen zugesprochene Qualifikation eines „Jüngeren Bergmannes unter Tage„ ist jedenfalls dann der Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB 6 zuzuordnen, wenn der Versicherte zuvor nach Besuch der dreijährigen Bergbau-Berufsschule die Abschlussprüfung als “Kohlebergmann„ bestanden hat (Anschluss an LSG Celle-Bremen vom 19.7.2006 - L 2 KN 17/00).
Orientierungssatz
Es ist nicht entscheidend, ob in dem jeweiligen Berufsbild noch eine höherwertige Berufsqualifikation erworben werden kann. Entscheidend muss vielmehr sein, ob das tatsächlich erworbene Qualifikationsniveau hinsichtlich der Breite und Intensität der Ausbildung dem Vergleich mit anderen anerkannten Facharbeiterberufen standhält. Dementsprechend kommt es nicht darauf an, ob in Polen für das Qualifikationsniveau eines "Jüngeren Bergmanns" die Bezeichnung "Facharbeiter" verwandt wurde, ausschlaggebend ist vielmehr, ob das Niveau materiell dem einer Facharbeiterausbildung im Sinn des früheren DDR-Rechts entsprach (vgl BSG vom 24.7.2003 - B 4 RA 61/02 R = SozR 4-2600 § 256b Nr 2).
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Februar 2006 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 13. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Oktober 2004 verpflichtet, unter teilweiser Zurücknahme des Bescheids vom 9. Januar 1998 die Zeiten vom 1. Oktober 1961 bis 22. Oktober 1963 und vom 3. November 1965 bis 31. Januar 1974 in die Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum Sozialgesetzbuch Sechstes Buch einzustufen sowie unter Abänderung des Rentenbescheids vom 31. Oktober 2006 verurteilt, dem Kläger ab 1. November 2006 entsprechend höhere Altersrente für langjährig Versicherte zu gewähren.
Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt eine höhere Altersrente unter Zuordnung der Zeiten vom 1. Oktober 1961 bis 22. Oktober 1963 und vom 3. November 1965 bis 31. Januar 1974 zur Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Der 1943 in L. in P. geborene Kläger zog am 4. Oktober 1989 in die Bundesrepublik Deutschland zu. Er ist deutscher Staatsangehöriger und im Besitz eines Ausweises für Vertriebene und Flüchtlinge “A„ (1989). Im Herkunftsland besuchte der Kläger in der Zeit vom 1. September 1957 bis 23. Juni 1960 die Bergbau-Berufsschule und bestand am 13. Juni 1960 die Abschlussprüfung als “Kohlebergmann„ mit der Gesamtnote “gut„ (Abschlusszeugnis vom 23. Juni 1960; Bl. 6 f. der Verwaltungsakte der Beklagen). Am 2. August 1960 nahm er eine Beschäftigung in der Steinkohlengrube “L„ in M.-W. auf; dort arbeitete er ausweislich der Bescheinigung des genannten Steinkohlenbergwerks vom 6. September 1989 (Bl. 15 f. der Verwaltungsakte) bis 31. Dezember 1987. Zunächst war der Kläger über Tage als Arbeiter eingesetzt (2. August bis 16. Oktober 1960), anschließend vom 17. Oktober 1960 bis 30. September 1961 als Arbeiter unter Tage. In der Zeit vom 1. Oktober 1961 bis 22. Oktober 1963 und - nach Absolvierung des Grundwehrdienstes (23. Oktober 1963 bis 15. Oktober 1965) - vom 3. November 1965 bis 31. Januar 1974 arbeitete der Kläger als “jüngerer Bergmann unter Tage„. Währenddessen besuchte er das Bergbautechnikum für Berufstätige in T. in der Fachrichtung Bergbau, bestand am 12. Juni 1969 das “Abiturienten-Examen„ vor der Staatlichen Examenskommission und erwarb damit die Berechtigung, den Titel “Bergbautechniker„ zu führen. Vom 1. Februar 1974 bis 31. Januar 1978 war der Kläger als “Bergmann unter Tage„ beschäftigt. Später arbeitete er als “Oberbergmann der Vorbereitungsabteilung unter Tage„ (1. Februar 1978 bis 31. Mai 1981) und als “Schichtsteiger einer Nicht-Förderabteilung unter Tage„ (1. Juni 1981 bis 31. Dezember 1987). Anschließend bezog er vom polnischen Versicherungsträger eine Bergrente.
Nach seinem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland stellte der Kläger am 30. April 1991 einen Antrag auf Kontenklärung. Nach Klärung des Versicherungsverlaufs teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 10. März 1993 mit, ein Wiederherstellungs-/Feststellungsbescheid werde erst nach 1996 ergehen. Nachdem der Kläger am 24. April 1997 sinngemäß an die Erteilung eines Feststellungsbescheids erinnert hatte, beantragte er am 21. Oktober 1997 Bergmannsrente wegen Vollendung des 50. Lebensjahres. Mit Bescheid vom 5. Januar 1998 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab; der Kläger habe die erforderliche Wartezeit von 300 Kalendermonaten mit ständigen Arbeiten unter Tage nicht erfüllt. Mit bindend gewordenem Bescheid vom 9. Januar 1998 stellte die Beklagte die in einem beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, also die Zeite...