Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. keine Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gem § 68 SGB 12 während Inhaftierung. unbestimmter Rechtsbegriff der besonderen Lebensverhältnisse. Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "sozialen Schwierigkeiten". Hilfe zum Lebensunterhalt in Sonderfällen. keine Übernahme von Mietschulden gem § 34 SGB 12. Ausschluss nach § 5 Abs 2 SGB 2
Orientierungssatz
1. Für die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gem § 68 SGB 12 wird der unbestimmte Rechtsbegriff der besonderen Lebensverhältnisse in § 1 Abs 2 der Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (juris: BSHG§72DV 2001) konkretisiert. Danach bestehen besondere Lebensverhältnisse bei Personen, die aus einer geschlossenen Einrichtung entlassen werden. Dies betrifft auch die Entlassung aus der Haft.
2. Soziale Schwierigkeiten iS des § 1 Abs 3 der Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (juris: BSHG§72DV 2001) liegen vor, wenn ein Leben in der Gemeinschaft durch ausgrenzendes Verhalten des Hilfesuchenden oder eines Dritten wesentlich eingeschränkt ist, ua im Zusammenhang mit Straffälligkeit. Soziale Schwierigkeiten allein und damit Lebensschwierigkeiten allgemeiner Art reichen nicht aus.
3. Die Schwierigkeiten, bei bestehenden Mietschulden neuen Wohnraum anzumieten, sind Lebensschwierigkeiten allgemeiner Art, denen ein allein stehender Hilfebedürftiger mithilfe des für ihn zuständigen Jobcenters (etwa durch Mietübernahmeerklärungen gegenüber einem neuen Vermieter) begegnen kann.
4. Der Anspruch auf Übernahme von Mietschulden nach § 34 Abs 1 SGB 12 - ist im vorliegenden Fall gem § 5 Abs 2 SGB 2 ausgeschlossen.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 26. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der während seiner Inhaftierung von Juni 2009 bis Januar 2010 entstandenen Mietkosten.
Der 1958 geborene, allein stehende Antragsteller, der zur Zeit Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezieht, verbüßte in der Zeit vom 28. Mai 2009 bis zum 22. Januar 2010 in der Justizvollzugsanstalt B eine Ersatzfreiheitsstrafe, weil er der Zahlung einer Geldstrafe von 276 Tagessätzen zu je 30 €, insgesamt somit 8.280 €, nicht nachgekommen war.
Er beantragte am 9. Juni 2009 beim Antragsgegner die Übernahme der Mietkosten für die Zeit seines Haftaufenthaltes ab dem Monat Juni. Am 12. Juni 2009 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, bis zum 30. Juni 2009 im Einzelnen näher bezeichnete Unterlagen beizubringen. Dem kam der Antragsteller nach einer Verlängerung der Abgabefrist am 24. Juli 2009 nach. Mit Bescheid vom 2. Oktober 2009 lehnte der Antragsgegner das Begehren des Antragstellers unter Hinweis auf § 34 SGB XII ab. Zur Begründung machte er geltend, dass sich der Antragsteller nicht aufgrund richterlich angeordneter Freiheitsentziehung, sondern zur Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe in Haft befinde. Er habe vor Haftantritt die von ihm nicht genutzte Möglichkeit gehabt, sich selbst zu helfen, indem er freiwillige Arbeit oder Ratenzahlungen an die Justizkasse leistet. Im Übrigen überschreite die Haftzeit den von der Rechtsprechung anerkannten Zeitraum von sechs Monaten. Über den hiergegen erhobenen Widerspruch hat der Antragsgegner inzwischen mit Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2010 abschlägig entschieden. Der Antragsteller hatte am 2. Februar 2010 zum Aktenzeichen S 20 SO 19/10 insoweit Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Potsdam erhoben.
Zugleich hat der Antragsteller am 2. Februar 2010 Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und begehrt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die in der Zeit vom 28. Mai 2009 bis zum 22. Januar 2010 entstandenen Mietkosten in Höhe von insgesamt 2.771,73 € (Miete Juni bis September 2009 von jeweils 318,63 € (insgesamt 1.274,52 €), Miete Oktober 2009 bis Januar 2010 von jeweils 331,20 € (insgesamt 1.324,80 €) zuzüglich 172,41 € Betriebskostennachzahlung) zu übernehmen. Im Verfahren hat er ein Schreiben seiner Vermieterin vom 19. Januar 2010 vorgelegt, mit dem das Mietverhältnis fristlos gekündigt und er aufgefordert wurde, die Wohnung bis zum 2. Februar 2010 zurückzugeben.
Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 26. Februar 2010 abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob sich der Antragsteller auf einen Anspruch aus § 34 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) oder aus § 67 Abs. 1, § 68 SGB XII i.V.m. § 4 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (VO) berufe. Nach beiden Vorschriften bestehe kein Anspruch. Zweifelhaft sei schon, ob dem Antragsteller überhaupt Wohnungslosigkeit drohe. Der Antragsteller habe weder selbst vorgetragen noch sei es der Ka...