Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Verfahrensdauer. Untätigkeitsbeschwerde. Zulässigkeit

 

Orientierungssatz

1. Die bloße Untätigkeit eines SG in Form der Nichtterminierung eines Rechtsstreits kann grundsätzlich nicht Gegenstand einer Beschwerde nach § 172 Abs 1 SGG sein (Vergleiche LSG Berlin, Beschluss vom 27. Januar 2005 - L 9 B 11/05 KR).

2. Eine richterrechtlich begründete außerordentliche Untätigkeitsbeschwerde - zur Einwirkung auf ein laufendes Verfahren - ist kein wirksamer Rechtsbehelf gegen eine überlange Verfahrensdauer (Vergleiche BSG, Beschluss vom 21. Mai 2007 - B 1 KR 4/07 S).

 

Tenor

Die Untätigkeitsbeschwerde der Klägerin wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Klägerin hat am 07. März 2006 vor dem Sozialgericht (SG) Potsdam eine Klage auf Gewährung einer Altersrente für Frauen bereits ab dem 15. April 2003 (bisheriger Rentenbeginn: 01. September 2004) erhoben. Mit Schreiben vom 06. Mai 2006 hat die Klägerin die Klage begründet. Mit Schriftsatz vom 21. August 2006 hat der Klägerbevollmächtigte seine Vertretung angezeigt. Am 19. Januar 2007 hat ein erster Erörterungstermin stattgefunden, an dessen Ende weiterer Vortrag der Klägerin für erforderlich gehalten worden ist. Nach Stellungnahmen der Beteiligten mit Schriftsätzen vom 09. Februar 2007, 07. März 2007 und 29. Mai 2007 hat das SG am 28. September 2007 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Im Ergebnis hat das SG weitere Ermittlungen für notwendig gehalten und die Beklagte zu einer Stellungnahme aufgefordert. Mit Verfügung vom 04. Oktober 2007 hat das SG unter anderem der Klägerin aufgegeben, ihr Aktenzeichen bei der Berufsgenossenschaft (BG) für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege sowie das Aktenzeichen des Berufungsverfahrens vor dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg mitzuteilen und eine Einverständniserklärung mit der Einsichtnahme in die Akten zu übersenden. Die Klägerin hat anschließend mit Schriftsatz vom 04. Oktober 2007 nochmals ihre rechtliche Position dargelegt und Bescheide der BG zur Verfügung gestellt. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2007 die erbetene Stellungnahme abgegeben. Einem Protokollberichtigungsantrag der Klägerin vom 01. November 2007 ist das SG nicht nachgekommen (richterliches Schreiben vom 08. November 2007). Mit Schriftsätzen vom 29. November 2007, 25. Januar 2008 und 28. März 2008 hat die Klägerin auf die aus ihrer Sicht gegebene Entscheidungsreife des Rechtsstreits hingewiesen und um Fortsetzung des Verfahrens gebeten, ohne die vom SG geforderte Einverständniserklärung vorzulegen und das Aktenzeichen des Rechtsstreits vor dem LSG mitzuteilen.

Mit Schreiben vom 05. Mai 2008 hat die Klägerin eine Untätigkeitsbeschwerde erhoben und beantragt, dem Ausgangsgericht aufzugeben, binnen einer vom Gericht zu setzenden Frist das Verfahren fortzuführen und zu entscheiden.

Das SG hat daraufhin der Klägerin mit Schreiben vom 13. Juni 2008 mitgeteilt, es beabsichtige, die Verwaltungsakten der BG beizuziehen, die Einverständniserklärung der Klägerin hierzu stehe jedoch trotz Aufforderung aus. Nach Eingang jener Akten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, die sich wegen des Beschwerdeverfahrens beim LSG befänden, sei beabsichtigt, einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.

Die Klägerin hat auf die Anfrage des Senats, ob nunmehr die Beschwerde zurückgenommen werde, mitgeteilt, die Ausführungen des SG entsprächen teilweise nicht der Wahrheit. Darüber hinaus sei eine Notwendigkeit der Beiziehung der Akten der BG nicht ersichtlich und zudem auch ohne ihre Einverständniserklärung zulässig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

II.

Die Untätigkeitsbeschwerde der Klägerin war als unzulässig zu verwerfen (§ 202 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ i. V. m. § 572 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫).

Nach § 172 Abs. 1 SGG findet die Beschwerde gegen die Entscheidungen der SGe mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte an das LSG statt, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Eine in diesem Sinne beschwerdefähige Entscheidung des SG liegt bisher nicht vor. Die bloße Untätigkeit des SG in Form der Nichtterminierung eines Rechtsstreits kann nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nicht Gegenstand einer Beschwerde sein (in diesem Sinne: Verwaltungsgerichtshof ≪VGH≫ Mannheim in NVwZ 2004, 1541 ff; LSG Berlin Beschluss vom 27. Januar 2005 - L 9 B 11/05 KR -, zitiert nach juris, m. w. N.; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 04. Juni 2008 - L 3 B 480/08 R -).

Darüber hinaus existiert derzeit keine gesetzliche Rechtsgrundlage für die von der Klägerin geltend gemachte Untätigkeitsbeschwerde. Unter solchen Umständen sieht es das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) - jedenfalls außerhalb des Bereichs gerichtlicher Untätigkeit bei freihei...

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