Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Beiordnung einer Rechtsanwaltschaftsgesellschaft im Rahmen der Prozesskostenhilfe
Orientierungssatz
1. Nach § 73a SGG iVm § 121 Abs. 1 ZPO kann einem Kläger im Rahmen der PKH-Bewilligung auch eine Rechtsanwalts-Gesellschaft beigeordnet werden. Die bevollmächtigte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH hat gemäß § 59l BRAO die Rechte und Pflichten eines Rechtsanwaltes und handelt nach § 73a Abs. 2 Satz 3 SGG durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragen Vertreter.
2. § 121 Abs. 1 ZPO bzw. § 73a Abs. 1 Satz 2 SGG ist im Lichte der §§ 59c, 59l BRAO, 73 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 SGG verfassungskonform im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) auszulegen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 3. Februar 2010 in der Fassung des Beschlusses vom 4. März 2010 geändert.
Der Klägerin wird ab 23. November 2009 die T Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Berlin, beigeordnet.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die Beiordnung einer Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung (mbH) im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH).
Mit Beschluss vom 3. Februar 2010 hat das Sozialgericht B (SG) mit Wirkung ab 23. November 2009 für das Verfahren vor dem SG Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und Rechtsanwalt O G, B, beigeordnet. Der Beschluss wurde der prozessbevollmächtigten T Rechtsanwaltsgesellschaft mbH am 15. Februar 2010 zugestellt. Am 17. Februar 2010 hat die Bevollmächtigte beantragt, den Beschluss zu ändern und die T Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, vertreten durch Rechtsanwalt G, B, als Prozessbevollmächtigten beizuordnen.
Das SG hat mit Beschluss vom 4. März 2010 diesen Antrag abgelehnt mit der Begründung, dass nach dem Wortlaut des § 121 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) nur ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet werden könne. Damit lasse der Wortlaut der Norm die Beiordnung einer GmbH nicht zu. Ein Bedürfnis, diese Vorschrift entsprechend dem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 17. September 2008 (IV ZR 343/07) über seinen Wortlaut hinaus auszulegen und die Beiordnung weiterer “Rechtsformen„ zuzulassen, bestehe im sozialgerichtlichen Verfahren nicht. Das SG folge insoweit den Ausführungen im Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 2. September 2009 (L 8 U 5402/08 PKH-A).
Gegen den ihr am 15. März 2010 zugestellten Beschluss hat die Bevollmächtigte am 29. März 2010 bei dem SG Beschwerde eingelegt. Das SG übersehe, dass nach § 73 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen seien, durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter handelten. Dies treffe auf die Rechtsform einer GmbH zu. Zwar seien juristische Personen und Vereinigungen grundsätzlich nicht prozessfähig und könnten deswegen im Regelfall nicht Bevollmächtigte sein. Derartige abweichende Regelungen fänden sich aber in § 73 Abs. 2 Satz 3 SGG iVm § 73a Abs. 2 SGG sowie in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). Als Prozessbevollmächtigte beauftragt werden könne nach § 591 Satz 1 BRAO die Rechtsanwaltsgesellschaft, d. h. eine nach Maßgabe der §§ 59c ff BRAO zugelassene Rechtsanwalts-GmbH. Diese Regelung dürfte § 121 ZPO ergänzend konkretisieren. Das LSG Berlin-Brandenburg habe im Beschluss vom 23. Oktober 2009 (L 18 AS 1685/09 B PKH) bereits entschieden, dass eine Rechtsanwalts-GmbH beigeordnet werden könne.
II.
Die innerhalb der Frist des § 173 Satz 1 SGG eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 3. Februar 2010 in der Fassung des Beschlusses vom 4. März 2010 ist gemäß § 172 Abs. 1 SGG zulässig und auch nicht durch § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG in der ab 1. April 2008 geltenden Fassung (Gesetz vom 26. März 2008, BGBl. I S. 444) ausgeschlossen. Denn das SG hat nicht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint, sondern PKH ohne Festsetzung von Raten bewilligt. Es fehlt somit bereits an der Eingangsvoraussetzung des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG. Zudem kann nach § 73a SGG iVm § 121 ZPO jederzeit eine Änderung der Beiordnung aus “triftigem Grund„ durch das Gericht vorgenommen werden (vgl. Kalthoener/Büttner, Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Auflage, Rn. 538). Daher war die mit schriftlicher Vollmacht vom 16. November 2009 wirksam bevollmächtigte T Rechtsanwaltsgesellschaft mbH nicht verpflichtet, den Beschluss des SG vom 3. Februar 2010 hinsichtlich des Ausspruches zur Beiordnung direkt mit der Beschwerde anzufechten. Vielmehr hat sie in rechtlich nicht zu beanstandender Weise von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, zunächst einen Antrag auf Änderung der Beiordnung bei dem SG zu stellen. Im Beschluss des OVG Sachsen-Anhalt vom 21. Mai 2008 (3 O 434/08, juris) wird diese Befugnis offenbar stillschweigend vorausgesetzt.
Die Beschwerde ist auch begründet.
Nach § 73a SGG iVm § 121 Abs. 1 ZPO kann der Klägerin im Rahmen der PKH-Bewilligung auch eine Rechtsanwal...