Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit. psychiatrische Exploration. kein Anspruch auf Anwesenheit Dritter bei Gefahr für die Verwertbarkeit des Gutachtens. rechtliches Gehör. faires Verfahren
Leitsatz (amtlich)
Der Kläger kann die Anwesenheit eines Dritten bei der psychiatrischen Exploration dann nicht verlangen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Anwesenheit des Dritten Angaben verfälscht werden und so die Verwertbarkeit des Gutachtens in Frage gestellt wird.
Orientierungssatz
Ergeben sich die Gründe für die Ablehnung eines Sachverständigen erst aus dem Gutachten selbst, muss der Ablehnungsantrag unverzüglich nach Kenntnis der Gründe gestellt werden, wobei der Betroffene aber eine den Umständen angemessene Zeit zur Prüfung und Überlegung hat.
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 09. November 2009 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die am 29. Dezember 2009 eingelegte Beschwerde gegen den dem Kläger am 30. November 2009 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 09. November 2009 ist fristgemäß und daher zulässig, aber unbegründet. Denn das Sozialgericht Berlin hat den Antrag des Klägers, den medizinischen Sachverständigen Dr. v, wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zu Recht abgelehnt.
Zutreffend hat das Sozialgericht bereits darauf hingewiesen, dass der Antrag nach § 406 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 118 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verspätet war, soweit er allein darauf gestützt wurde, dass der Gutachter der Ehefrau des Klägers die Anwesenheit bei der Exploration am 28. Januar 2008 nicht gestattet hat.
Nach § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist der Ablehnungsantrag bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn sich die Ablehnungsgründe erst aus dem Gutachten selbst ergeben. In diesem Fall muss der Antrag dann unverzüglich nach Kenntnis des Befangenheitsgrundes gestellt werden, wobei der Betroffene aber eine den Umständen angemessene Zeit zur Prüfung und Überlegung hat (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 118 Rdnr. 12 l). Soweit der Antrag allein darauf gestützt werden soll, dass der Gutachter der Ehefrau des Klägers die Anwesenheit bei der Exploration im Rahmen der ambulanten Untersuchung am 28. Januar 2008 verweigert hat, war der Antrag unverzüglich nach dieser behaupteten Weigerung, die Anwesenheit zu gestatten, zu stellen. Denn dafür brauchte es nicht die Vorlage des Gutachtens. Dieser Grund war mit Nichtgestattung der Anwesenheit am 28. Januar 2008 bekannt. Er ergab sich gerade nicht erst aus dem schriftlichen Gutachten. Der am 16. März 2009 beim Sozialgericht Berlin eingegangene Antrag war deshalb insoweit bereits verfristet und daher unzulässig.
Soweit der Senat den Antrag als zulässig ansieht, weil im Gutachten niedergelegt ist, dass der Kläger in Begleitung seiner Ehefrau erschienen sei, die außerhalb des Untersuchungszimmers verblieben sei, und insoweit das Ablehnungsgesuch auch auf die Unrichtigkeit der Beschreibung der Situation gestützt wird, ist er unbegründet.
Es ist schon nicht ersichtlich, dass der Gutachter mit dem Hinweis, dass die Ehefrau außerhalb des Untersuchungszimmers verblieben sei, den Sachverhalt unrichtig darstellen wollte. Denn Tatsache ist, dass die Ehefrau das Untersuchungszimmer nicht betreten hat, weil der Gutachter die Anwesenheit der Ehefrau des Klägers bei der Exploration abgelehnt hat. Dass es auf diese Ablehnung in irgendeiner Weise später noch einmal ankommen sollte, konnte der Gutachter zu diesem Zeitpunkt nicht erkennen. Eine Ablehnung der Exploration oder eine Ablehnung des Gutachters durch den Kläger ist nicht erfolgt. Angesichts des Umstandes, dass es den Regeln der psychiatrischen Begutachtung entspricht, die Anwesenheit Dritter bei der Exploration abzulehnen, und es sich insoweit um einen vollkommen normalen Vorgang handelt, war der Gutachter auch nicht gehalten, diesen in das Gutachten aufzunehmen. Der Gutachter hat mit seiner Niederschrift diesen Umstand auch nicht verfälschen wollen, was sich bereits aus seiner Stellungnahme vom 11. April 2009 ergibt, in der er darauf hinweist, dass sein Vorgehen lege artis war und er deshalb wegen dieses völlig normalen Vorganges keinen Grund gesehen hat, etwas zur Ablehnung der Anwesenheit der Ehefrau bei der Exploration niederzulegen. Eine Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen ist insoweit bereits nicht im Ansatz glaubhaft gemacht.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befang...