Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde im Prozesskostenhilfeverfahren, wenn im zugehörigen "Hauptsacheverfahren" der Rechtsweg beschränkt ist. Prozesskostenhilfe. Beschwerde. Beschwerdeausschluss. Einstweiliges Rechtschutzverfahren
Orientierungssatz
1. Einen allgemeinen Grundsatz, wonach im Nebenverfahren der PKH der Rechtszug nicht weiterreichen dürfe als im dazugehörigen “Hauptsacheverfahren„, gibt es nicht.
2. SGG § 172 Abs 3 Nrn 1 - 4 ist auf die dort konkret geregelten Fallgestaltungen beschränkt. Auch im Wege der Auslegung ist eine Beschränkung der Beschwerde gegen eine PKH-Entscheidung in den Fällen, in denen der Rechtszug im dazugehörigen Hauptsacheverfahren beschränkt ist, nicht angebracht.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
Mit der noch anhängigen Beschwerde wendet sich der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Berlin vom 15. November 2010, soweit mit diesem sein Antrag abgelehnt worden ist, für seinen am 22. September 2010 beim SG gestellten Eilantrag Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung der im Rubrum bezeichneten Verfahrensbevollmächtigten zu gewähren.
Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens erster Instanz war bei verständiger Würdigung (§ 123 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) das Begehren, den Antragsgegner im Wege einer Regelungsanordnung iS von § 86b Abs 2 Satz 2 SGG zu verpflichten, dem Antragsteller für die Zeit vom 01. September 2010 bis zum 28. Februar 2011 Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu gewähren. Nachdem der Antragsgegner dem Antragsteller für die Zeit vom 22. September 2010 bis zum 31. März 2011 (Bescheide vom 22. Oktober 2010 und 02. November 2010) Arbeitslosengeld II gewährt hatte, hat das SG durch Beschluss vom 15. November 2010 sowohl den Eilantrag als auch den PKH- und Beiordnungs-Antrag abgewiesen.
Mit Beschluss vom 12. Januar 2011 (L 10 AS 2323/10 B ER) hat der Senat die auf die Zeit vom 22. September 2010 bis zum 21. Oktober 2010 und damit auf einen Arbeitslosengeld II-Anspruch von 694,00 EUR beschränkte Beschwerde, die offenbar in Verkennung des Umstandes eingelegt worden war, dass für diesen Zeitraum bereits bewilligt und geleistet worden war, mangels Statthaftigkeit als unzulässig verworfen, da der Antragsteller durch die Beschränkung seiner Beschwerde nicht mehr in dem durch § 172 Abs 3 Nr 1 1. HS SGG iVm § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG vorausgesetzten Maße beschwert war.
Die vorliegende Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft. Nach § 172 Abs 1 SGG sind gegen Beschlüsse des SG Beschwerden grundsätzlich statthaft. Anderes gilt nur, wenn der Gesetzgeber die Beschwerde ausdrücklich ausgeschlossen hat; einen Grundsatz, wonach im Nebenverfahren der PKH der Rechtszug nicht weiterreichen dürfe als im dazugehörigen “Hauptsacheverfahren„, gibt es nicht. Für die vorliegende Konstellation enthalten § 172 Abs 3 Nrn 1 - 4 SGG keinen entsprechenden Ausschlussgrund; insbesondere ist § 172 Abs 3 Nr 1 2. HS SGG nicht einschlägig, der durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 05. August 2010 (BGBl I 1127) ab dem 11. August 2010 eingefügt worden ist, und der bestimmt, dass § 172 Abs 3 Nr 1 1. HS SGG, wonach die Beschwerde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen ist, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre, auch für Entscheidung über einen Prozesskostenhilfeantrag im Rahmen dieses Verfahrens gilt. Der in § 172 Abs 3 Nr 1 2. HS SGG formulierte Beschwerdeausschluss liegt nicht vor. Mit dem Wort “wäre„ knüpft das Gesetz allein an die bestehenden Rechtschutzmöglichkeiten (Betonung auf “Möglichkeiten„) an, die sich nur danach bestimmen, was Verfahrensgegenstand des erstinstanzlichen einstweiligen Rechtsschutzverfahrens war. Das vorliegende PKH- Beschwerdeverfahren wäre danach nur dann nicht statthaft, wenn auch dann die Beschwerde gegen den einstweiligen Rechtsschutz versagenden Teil des Beschlusses des SG vom 15. November 2010 - als Berufung gedacht - nicht zulassungsfrei gewesen wäre, wenn der Antragsteller sein einstweiliges Rechtschutzbegehren im Beschwerdeverfahren (L 10 AS 2323/10 B ER) nicht beschränkt hätte, sondern vollumfänglich weiterverfolgt hätte. Dies ist aber nicht der Fall, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes, der sich aus dem ergibt, was das SG dem Rechtsmittelführer ausgehend von dessen Begehren versagt hat und von ihm in der Rechtsmittelinstanz weiterverfolgt wird (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, RdNr 14 zu § 144 mwN), in einem solchen Fall den in § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG maßgeblichen Schwellenwert von 750,00 EUR überstiegen hätte.
Dass diese am Wortlaut orientierte Auslegung dem Willen des Gesetzgebers entspricht, zeigen auch die Gesetzesmaterialien zu § 172 Abs 3 Nr 1 2. HS SGG. Nach der Begründung des Entwurfes der Bundesregierung soll mit der Ergänzung des § 172 Abs 3 Nr 1 SGG um den 2. HS nur verhindert werden, dass gegen die Ablehnung eines Antrags auf PK...