Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "G" im Wege der Gleichstellung

 

Orientierungssatz

1. Zur Anerkennung des Merkzeichens "G" fordert das Gesetz nach § 69 SGB 4 i. V. m. § 146 Abs. 1 S. 1 SGB 9, dass Ursache der beeinträchtigten Bewegungsfähigkeit eine Behinderung des schwerbehinderten Menschen ist und diese Behinderung dessen Gehvermögen einschränken muss.

2. Anspruch auf das Merkzeichen "G" hat über die in VersMedV D Nr. 1d bis 1f genannten Regelbeispiele hinaus auch der schwerbehinderte Mensch, der nach Prüfung des einzelnen Falles aufgrund anderer Erkrankungen mit gleich schweren Auswirkungen auf die Gehfunktion und die zumutbare Wegstrecke dem beispielhaft aufgeführten Personenkreis gleichzustellen ist (BSG Urteil vom 11. 8. 2015, B 9 SB 1/14 R).

3. Dabei ist es unerheblich, ob der Einzel-GdB für die Funktionseinschränkungen der Beine mit 30 oder 40 zu bewerten ist.

 

Normenkette

SGB IX § 145 Abs. 1 S. 1, § 146 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 1 S. 1, § 69 Abs. 1, 4, § 70 Abs. 2; VersMedV Teil D Nr. 1 Buchst. d, e, f; KraftStG § 3a Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 3 S. 2; UN-BRK Art. 5 Abs. 2

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 10. Februar 2016 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen bleibt es bei der Kostenentscheidung des Sozialgerichts.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Erteilung des Merkzeichens G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).

Auf den Antrag des Klägers vom 11. Juni 2014 stellte der Beklagte bei ihm mit Bescheid vom 9. Dezember 2014 einen GdB von 30 fest. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Mit Abhilfebescheid vom 21. Januar 2015 setzte der Beklagte den GdB ab Antragstellung auf 50 herauf, lehnte aber mit Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2015 die Zuerkennung des Merkzeichens G ab.

Mit der Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt.

Das Sozialgericht hat neben Befundberichten das Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. L vom 16. November 2015 eingeholt, der das orthopädische Leiden -Funktionsbehinderung der Beine nach Frakturen - mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet und das Vorliegen der Voraussetzungen für das Merkzeichens G verneint hat.

Mit Urteil vom 10. Februar 2016 hat das Sozialgericht den Beklagten zur Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G mit Wirkung ab 11. Juni 2014 verpflichtet. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Sachverständige habe tatsächlich bestehende funktionelle Beeinträchtigungen des Klägers beim Gehen dokumentiert. Diese seien mit einem Einzel-GdB von mindestens 40 zu bewerten, womit der “Mobilitäts-GdB„ vorliege, der zur Bejahung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G führe.

Der Beklagten wendet sich mit der Berufung gegen diese Entscheidung. Er ist der Ansicht, dass bei dem Kläger ein “Mobilitäts-GdB„ von lediglich 30 vorliege.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 10. Februar 2016 aufzuheben und die Klage im vollen Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt seinem schriftlichen Vorbringen zufolge,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist darauf, dass sich sein Gesundheitszustand weiter verschlechtert habe.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

II.

Die Berufung des Beklagten wird nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückgewiesen, da der Senat sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Das Urteil des Sozialgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Der Kläger hat auch Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G.

Gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, Anspruch auf unentgeltliche Beförderung. Alternativ können sie nach § 3a Abs. 2 Kraftfahrzeugsteuergesetz eine Ermäßigung der Kraftfahrzeugsteuer um 50 v. H. beanspruchen. Über das Vorliegen der damit angesprochenen gesundheitlichen Merkmale treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 1 und 4 SGB IX).

Nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im ...

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