Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Krankenversicherung. außerklinische Intensivpflege. Krankenbeobachtung. Tracheostoma
Leitsatz (amtlich)
1. Einzelfall zu einem Anspruch auf außerklinische Intensivpflege im Rahmen eines Antrags auf einstweilige Anordnung
2. Bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen einer außerklinischen Intensivpflege kann nicht allein auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines Tracheostomas abgestellt werden ( § 4 Abs. 2 AKI-RL).
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 13. Juni 2024 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Gewährung von außerklinischer Intensivpflege in Form der Krankenbeobachtung für 24 Stunden täglich statt für - wie von der Antragsgegnerin bewilligt - 14,85 Stunden täglich.
Der 1947 geborene und bei der Antragsgegnerin (und Beschwerdegegnerin) krankenversicherte Antragsteller (und Beschwerdeführer) leidet unter neurogener Dysphagie, chronisch inkompletter Querschnittslähmung bei persistierender Medulla oblongata-Kompression und Arnold-Chiari-Malformation. Er ist seit dem 1. September 2016 mit einem Tracheostoma mit Trachealkanüle versorgt, die in den Zeiten von 7.30 Uhr bis 12.00 Uhr und vom 14.30 Uhr bis 18.30 Uhr entblockt ist und täglich mehrmals, durchschnittlich zehnmal, zu unregelmäßigen Zeiten abgesaugt werden muss. Die Ernährung erfolgt über eine einliegende perkutane Ernährungssonde.
Der Antragsteller lebt seit Januar 2017 in einer Wohngemeinschaft für Intensivpatienten i.S.d. § 132l Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bzw. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von außerklinischer Intensivpflege (Außerklinische Intensivpflege-Richtlinie/AKI-RL) und wird dort von dem Pflegedienst A GmbH (nachfolgend: Pflegedienst) intensivpflegerisch betreut und versorgt. Der Antragsteller hat den Pflegegrad 4; der Pflegedienst erbringt auf der Grundlage eines „Vertrag(es) über ambulante Pflege und Betreuung“ vom 17. Januar 2017 sowohl Leistungen der Pflegeversicherung als auch Leistungen der häuslichen Krankenpflege für den Antragsteller. Hinsichtlich der Einzelheiten des Pflegevertrages wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen. Die Antragsgegnerin bewilligte dem Antragsteller in der Vergangenheit die Übernahme der vertraglich vereinbarten Kosten des Pflegedienstes für spezielle Krankenbeobachtung, zuletzt mit Bescheid vom 22. Dezember 2022 für den Zeitraum vom 1. Januar 2023 bis zum 30. November 2023 für 22,27 Stunden täglich an sieben Tagen pro Woche.
Am 9. November 2023 verordnete der Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie Dr. M dem Antragsteller für den Verordnungszeitraum 1. November 2023 bis 30. April 2024 außerklinische Intensivpflege für 24 Stunden täglich. Diese Verordnung übersandte der Pflegedienst am 15. November 2023 an die Antragsgegnerin mit der Bitte um Genehmigung. Die Antragsgegnerin schaltete den Medizinischen Dienst Berlin-Brandenburg (MD) ein und informierte den Antragsteller hierüber sowie insgesamt dreimal darüber, dass sich die Erstellung des Gutachtens (weiter) verzögern werde.
Nach einem Hausbesuch bei dem Antragsteller am 15. Februar 2024 gelangte die MD-Gutachterin M in einem Gutachten vom 21. Februar 2024 zu dem Ergebnis, dass in der Gesamtschau der vorliegenden und erhobenen Befunde und Informationen im Falle des Antragstellers die Anwesenheit einer Pflegefachkraft täglich für die Zeiten, in denen die Trachealkanüle geblockt sei - 12.00 Uhr bis 14.30 Uhr sowie 18.00 Uhr bis 7.30 Uhr -, im Rahmen einer außerklinischen Intensivpflege als kontinuierliche Beobachtung und Interventionsbereitschaft zur Verhinderung lebensbedrohlicher Zustände und Sicherung der Vitalfunktionen für den verordneten Zeitraum medizinisch begründbar sei. Mit Bescheid vom 1. März 2024 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller daraufhin unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Begutachtung durch den MD die Übernahme der Kosten für Außerklinische Intensivpflege für den Zeitraum vom 1. Dezember 2023 bis 30. April 2024 für 14,85 Stunden täglich sieben Mal wöchentlich.
Der Antragsteller hat Widerspruch gegen den Bescheid erhoben und am 14. März 2024 zudem einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht gestellt mit dem Begehren, die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, ihm ab dem Tag der Entscheidung des Gerichts bis zum Ende des Verordnungszeitraums der aktuellen ärztlichen Verordnung, längstens jedoch bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, außerklinische Intensivpflege gemäß § 37c SGB V im ärztlich verordneten Umfang zu gewähren. Zur Begründung hat er ausgeführt, er müsse regelmäßig von Sekret aus den oberen Luftwegen befreit werden, um nicht zu ersticken, und sei nicht in der Lage, sich eigenständig das Sekret aus den A...