Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Zweipersonenhaushalt in Berlin. Angemessenheitsprüfung. Nichtvorliegen eines schlüssigen Konzepts für 2016 und 2017. Erkenntnisausfall. Heranziehung der Tabellenwerte nach § 12 WoGG zuzüglich Sicherheitszuschlag. Tabellenwerterhöhung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Bestimmung grundsicherungsrechtlich angemessener Kosten der Unterkunft in Berlin lag für die Jahre 2016 und 2017 kein schlüssiges Konzept zugrunde.
2. Bei Fehlen eines schlüssigen Konzeptes ist zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete auf die Tabellenwerte das § 12 WoGG zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 10 % zurückgreifen (Anschluss an LSG Berlin-Brandenburg vom 21.1.21 - L 19 AS 1129/17; vom 16.3.22 - L 1 AS 456/21 WA; vom 7.4.22 - L 10 AS 2286/18; vom 31.5.22 - L 32 AS 2845/16; vom 31.5.22 - L 32 AS 2866/16).
Orientierungssatz
1. Die Erhöhung des Wohngeldes im Jahr 2016 kann ein Absehen vom Sicherheitszuschlag nicht begründen.
2. Es kann offenbleiben, ob mit dem Gesetz zur Stärkung des Wohngeldes - Wohngeldstärkungsgesetz (WoGStärkG) vom 30.11.2019 ab dem Jahre 2020 weiterhin ein Sicherheitszuschlag zu gewähren ist, da der Gesetzgeber hiermit eine Dynamisierung alle 2 Jahre eingeführt hat.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Februar 2019 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Anspruchs der Kläger gegen den Beklagten hinsichtlich der Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) für den Zeitraum Juli 2016 bis Oktober 2016, sowie für Dezember 2016 und für den weiteren Bewilligungszeitraum von Januar 2017 bis Juni 2017.
Die Klägerin wurde im Jahre 1964 geboren und der Kläger im Jahre 1963. Sie bewohnen eine Mietwohnung mit drei Zimmern und einer Wohnfläche von 68 qm. Die Heizung der Wohnung erfolgte über Fernwärme, wobei die Gesamtgebäudefläche ca. 2.400 qm beträgt.
Die Kläger wendeten ab dem 1. September 2015 und auch im streitigen Zeitraum die folgenden Kosten für ihre Unterkunft auf: Grundmiete 347,48 Euro, Vorauszahlung Betriebskosten 193,92 Euro und Vorauszahlung Heizkosten 55,- Euro (Summe: 596,40 Euro.)Die Klägerin erzielte im gesamten streitigen Zeitraum die folgenden Einkünfte:
Juni 2016 1.226,25 Euro (brutto: 1.724,80 Euro)
Juli 2016 1.163,73 Euro (brutto: 1.612,18 Euro)
August 2016 1.270,80 Euro (brutto: 1.803,20 Euro)
September 2016 1.226,25 Euro (brutto: 1724,80 Euro)
Oktober 2016 1.182,57 Euro (brutto: 1.646,40 Euro)
November 2016 1.226,25 Euro (brutto: 1.724,90 Euro)
Dezember 2016 1.226,25 Euro (brutto: 1.724,80 Euro)
Januar 2017 449,05 Euro (brutto: 592,78 Euro)
Februar 2017 440,- Euro (brutto: 372,07 Euro) und
74,90 Euro (brutto: 81,45 Euro)
März 2017 618,32 Euro (brutto: 770,- Euro)
April 2017 568,85 Euro (brutto: 700,- Euro)
Mai 2017 653,18 Euro (brutto: 825,- Euro)
Mit Bescheid vom 5. Januar 2017 gewährte die Bundesagentur für Arbeit der Klägerin ab dem 1. Januar 2017 Arbeitslosengeld, und zwar für die Zeit ab dem 1. März 2017 mit einem täglichen Leistungsbetrag von 13,22 Euro.
Der Kläger erzielte im gesamten streitigen Zeitraum Einkünfte in Höhe von 165,- Euro monatlich.
Dem Verfahren zum Aktenzeichen S 128 AS 16169/16 (Zeitraum Juli bis Dezember 2016) liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:
Mit Bescheid vom 27. Juni 2016 gewährte der Beklagte den Klägern auf ihren Antrag vom 10. Juni 2016 als vorläufige Leistungen die KdUH für die Zeit Juli 2016 bis Dezember 2016 in Höhe von jeweils 143,19 Euro monatlich.
Hiergegen legten die Kläger mit Schreiben vom 11. Juli 2016 Widerspruch ein.
Mit Schreiben vom 23. September 2016 teilte der Vermieter den Klägern aufgrund der Abrechnung der Betriebskosten sowie Heiz- und Warmwasserkosten für das Jahr 2015 mit, dass ein Guthaben von insgesamt 508,23 Euro bestehe. Das Guthaben werde auf das Konto der Kläger überwiesen. Ein Zufluss auf dem Konto erfolgte im Oktober 2016.
Den Widerspruch der Kläger wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2016 zurück. Er führte zur Begründung aus, dass den Klägern im Jahre 2012 mitgeteilt worden sei, dass die Aufwendungen für die Wohnung nicht angemessen seien. Es seien daher nur die angemessenen Kosten in Höhe von 518,- Euro zu berücksichtigen und nicht die tatsächlichen Aufwendungen in Höhe von 596,40 Euro.
Mit der am 17. November 2016 vor dem Sozialgericht Berlin (zum Az. S 128 AS 16169/16) erhobenen Klage haben die Kläger ihr Begehren weiterverfolgt und beantragt, monatlich weitere 78,40 Euro für die KdUH zu gewähren. Sie haben zur Begründung ausgeführt, dass ein schlüssiges Konzept des Beklagten zur Bestimmung der angemessenen KdUH nicht vorliege. Daher sei zumindest auf die Tabellenwerte nach § 12 des Wohngeldgesetzes (WoGG) mit einem Sicherheitszuschlag von 10% zurückzugreifen. Hieraus ergebe sich ein Wert von 578,60 Euro zuzüglich der tatsächlichen Hei...