Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagungsbescheid wegen fehlender Mitwirkung. Anfechtungsklage. Zulässigkeit einer unmittelbaren Leistungs-, Verpflichtungs- oder Feststellungsklage
Leitsatz (amtlich)
1. Ein nach § 66 SGB I ergangener Versagungsbescheid kann nur mit der isolierten Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG angefochten werden (vgl. BSG, Urteile vom 12. Oktober 2018 - B 9 SB 1/17- , Rn. 13 f, 01. Juli 2009 - B 4 AS 78/08 R -, Rn. 12, und 17. Februar 2004 - B 1 KR 4/02 R -, Rn. 12; jeweils in juris), denn Gegenstand der Entscheidung im Verwaltungsverfahren, und damit auch nur insoweit zulässiger Streitgegenstand im Gerichtsverfahren, ist die Auseinandersetzung über Rechte und Pflichten der Beteiligten nach §§ 60 bis 62, 65, 66 SGB I im Verwaltungsverfahren. Demzufolge fehlt es auch bei gerichtlicher Aufhebung des Versagensbescheides nach § 66 SGB I nach wie vor an einer materiell-rechtlichen Entscheidung der Verwaltung über die beantragte Leistung bzw. Berufskrankheit.
2. Soweit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung teilweise angeführt wird, im Falle einer Versagung nach § 66 SGB I sei ausnahmsweise die Verbindung der Anfechtungsklage mit einer Leistungs- oder Verpflichtungsklage auch dann zulässig, wenn die anderweitige Klärung der Leistungsvoraussetzungen vom Kläger nur behauptet wird und hierfür - pauschal - auf prozessökonomische Gründe und Rechtschutzgründe verwiesen wird (vgl. BSG, Urteile vom 24. November 1987 - 3 RK 11/87 -, Rn. 21, 29. Juni 2021 - B 12 KR 2/20 R -, Rn. 11, und 17. Februar 2004 - B 1 KR 4/02 R -, Rn. 12; jeweils in juris), vermag dies nicht zu überzeugen
3. Die ausnahmsweise Zulässigkeit einer unmittelbaren Leistungs-, Verpflichtungs- oder Feststellungsklage mag zwar noch in den Fällen gerechtfertigt erscheinen, bei denen eine anderweitige Klärung der Leistungsvoraussetzungen zwischen den Beteiligten tatsächlich unstreitig ist, so dass es eines (fortgesetzten) Verwaltungsverfahrens unter Rechtsschutzgesichtspunkten nicht mehr bedarf. Wenn jedoch die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Leistungsanspruches oder einer Berufskrankheit zwischen den Beteiligten streitig ist, kann nach Auffassung des Senats allein durch die subjektive Behauptung einer anderweitigen Klärung durch den Kläger, die vom Gesetzgeber in den gesetzlichen Regelungen der §§ 31 SGB X, 78, 85 SGG, 66 SGB I klar zum Ausdruck gebrachte Vorrangigkeit der materiell-rechtlichen Erstprüfung und Entscheidung durch den Sozialversicherungsträger nicht umgangen werden. Eine ausnahmsweise Zulässigkeit einer mit einer Anfechtungsklage gegen einen Versagungsbescheid nach § 66 SGB I verbundenen unmittelbaren Leistungs-, Verpflichtungs- oder Feststellungsklage, käme unter dem Aspekt einer zügigen Rechtsschutzgewährung nur dann in Betracht, wenn es keiner Ermittlungen von Amts wegen mehr bedürfte, d.h. das Gericht ohne Verletzung des in §§ 103, 106 Abs. 2 SGG statuierten Untersuchungsgrundsatzes über den geltend gemachten Anspruch sofort in der Sache eine abschließende Entscheidung treffen kann.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Februar 2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit der Berufung begehrt die Klägerin die Änderung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 16. Februar 2021 und (nur noch) die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2101 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung (BKV) - „Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können“ (ab dem 01. Januar 2021: „(durch mechanische Einwirkungen verursachte) Schwere oder wiederholt rückfällige Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- und Muskelansätze“).
Am 17. Januar 2014 ging bei der Beklagten die förmliche Anzeige eines Verdachts des Bestehens einer BK 2101 des die Klägerin betreuenden Facharztes für Allgemeinmedizin und Arbeitsmedizin F ein: Bei der Klägerin bestehe eine starke Sehnenscheidenentzündung am rechten Handgelenk mit erheblichen Ansatztendinosen im Arm- und Schulterbereich. Die Beklagte nahm daraufhin ihre Ermittlungen auf. In dem von der Klägerin am 09. April 2014 ausgefüllten Fragebogen gab sie an, bei ihr bestehe eine Tendovaginitis des rechten Armes akut ab dem 06. Dezember 2013 (Freitag), seit dem 09. Dezember 2013 (Montag) sei sie arbeitsunfähig und beziehe seit dem 20. Januar 2014 Krankengeld. Bei ihr liege ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 vor und sie sei einer Schwerbehinderten gleichgestellt. Seit 2006 arbeite sie beim Deutschen Bundestag (DBT) in der Bibliothek an einem Bildschirmarbeitsplatz und sei vorwiegend mit Dateneingabe befasst. Betriebsärztliche Empfehlungen von September 2012 bezüglich des Umfa...