Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenversicherung: Rückforderung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung wegen Aufnahme einer Beschäftigung. Verletzung von Mitteilungspflichten. Umkehr der Beweislast im Streit um die Aufhebung und Rückforderung überzahlter Leistungen
Orientierungssatz
1. Im Streit um die Rückforderung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, die aufgrund der nicht rechtzeitig angezeigten Aufnahme einer mehr als geringfügigen Beschäftigung durch den Leistungsempfänger resultiert, muss jedenfalls dann ausnahmsweise nicht der Leistungsträger die Voraussetzung der Rückforderung nachweisen, sondern der Leistungsempfänger im Rahmen einer Beweislastumkehr den Beweis des Vorliegens der Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch erbringen, wenn Vorgänge nicht abschließend aufklärbar sind, die in der Sphäre des Leistungsempfängers liegen und deren vollständige Aufklärung dieser durch sein Verhalten unmöglich gemacht hat (hier: tatsächlicher Umfang einer Beschäftigung). Das gilt auch im Falle der Vorlage einer Nebenverdienstbescheinigung durch den Arbeitgeber, jedenfalls wenn erhebliche Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der Bescheinigung bestehen (entgegen LSG Potsdam, Urteil vom 24. April 2013, Az.: L 18 AL 135/11).
2. Hat ein Empfänger von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung eine mehr als nur geringfügige Tätigkeit aufgenommen, ohne dies dem Leistungsträger mitzuteilen, so handelt er hinsichtlich der Verletzung seiner Mitteilungspflicht durch unvollständige Angaben mindestens grob fahrlässig.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rücknahme bzw. Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeiträume Juni 2003 und Juli 2003 sowie vom 1. August 2003 bis 23. Oktober 2003 und 1. Februar 2004 bis 31. Dezember 2004 sowie damit verbunden die Erstattung überzahlter Arbeitslosenhilfe zzgl. der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 8.275,40 Euro.
Der 1975 geborene Kläger ist gelernter Fliesenleger. Seit 1992 befand er sich wiederholt im Leistungsbezug bei der Beklagten.
Am 2. Januar 2001 meldete sich der Kläger nach einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme erneut arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Durch seine Unterschrift bestätigte der Kläger mit Datum vom 2. Januar 2001 den Erhalt und die Kenntnisnahme des Merkblattes Nr. 1 für Arbeitslose “Ihre Rechte - Ihre Pflichten„. Die Beklagte gewährte ihm daraufhin bis zum 30. August 2001 (Erschöpfung des Anspruches) Arbeitslosengeld. Schon während des Bezuges von Arbeitslosengeld übte der Kläger eine Nebentätigkeit als Zusteller für die Pvertriebs GmbH aus und legte entsprechende Bescheinigungen über Nebeneinkommen für die Monate März 2001 bis Juni 2001 vor.
Am 27. Juli 2001 beantragte der Kläger im Anschluss an das Arbeitslosengeld die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe. Auch bei dieser Antragstellung bestätigte der Kläger mit seiner Unterschrift vom 27. Juli 2001 den Erhalt und die Kenntnisnahme des Merkblattes Nr. 1 für Arbeitslose. Außerdem gab er an, eine Beschäftigung/Tätigkeit nicht auszuüben. Die Beklagte bewilligte ihm daraufhin mit Bescheid vom 31. August 2001 Arbeitslosenhilfe ab dem 31. August 2001 nach der Leistungsgruppe A, dem Kindermerkmal 0 in Höhe eines täglichen Leistungssatzes von 32,49 € (wöchentlich 227,43 €).
Am 5. August 2002 beantragte der Kläger die Fortzahlung der Arbeitslosenhilfe, gab an, eine Beschäftigung nicht auszuüben und quittierte durch seine Unterschrift mit Tagesdatum vom 26. Juli 2002 den Erhalt und die Kenntnisnahme des Merkblattes 1b “Arbeitslosenhilfe„. Die Beklagte bewilligte und gewährte ihm daraufhin auch für den Zeitraum vom 31. August 2002 bis zum 30. August 2003 durchgehend Arbeitslosenhilfe; für den Zeitraum vom 31. August 2002 bis zum 31. Dezember 2002 in Höhe eines täglichen Leistungssatzes von 17,79 € und für den Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis zum 30. August 2003 in Höhe eines täglichen Leistungssatzes von 17,70 €.
Am 16. Juni 2003 ging bei der Beklagten eine Bescheinigung über Nebeneinkommen der PR-S G (im Folgenden: P G) vom 11. Juni 2003 ein. In dieser Bescheinigung wurde dem Kläger für die 22. Kalenderwoche (vom 26. Mai 2003 bis zum 30. Mai 2003) ein Arbeitsentgelt in Höhe von 32,12 € bei vier Arbeitsstunden mit einer Arbeitsaufnahme am Montag, den 26. Mai 2003, bescheinigt. Am 16. Juli 2003 ging bei der Beklagten eine weitere Bescheinigung über Nebeneinkommen der P GmbH ein, diesmal für den Monat Juni 2003 mit einem bescheinigten Arbeitsentgelt von 158,99 € bei wöchentlich nicht mehr als fünf Arbeitsstunden und einer monatlichen Arbeitszeit von 19,80 Stunden. Auch für den Monat Juli 2003 ging schließlich am 13. August 2003 eine solche Bescheinigung der P GmbH bei der Beklagten ein, nunmehr mit max. 5,39 Arbeit...