Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Tätigkeit als Familienhelfer für einen Träger der öffentlichen Jugendhilfe. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung. rechtliche Rahmenbedingungen. Einbettung der Tätigkeit in vorgegebenes Hilfekonzept. Verjährung. vorsätzliche Beitragsvorenthaltung. Unterbrechung. Hemmung. Vorliegen eines Verwaltungs- bzw Beitragsverfahrens
Orientierungssatz
1. Zur Feststellung von Sozialversicherungspflicht in einer Tätigkeit als Familienhelfer für einen Träger der öffentlichen Jugendhilfe unter Zugrundelegung der rechtlichen Beurteilung des BSG in seiner Entscheidung vom 25.04.2012 - B 12 KR 24/10 R = SozR 4-2400 § 7 Nr 15 (hier: Bejahung des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung).
2. Sofern Unklarheit besteht über das Vorliegen von Versicherungspflicht und auch Versicherungsfreiheit ernsthaft diskutabel ist, kann von vorsätzlicher Beitragsvorenthaltung nicht die Rede sein.
3. Systematisch stellt § 198 S 2 SGB 6 eine Ausnahme zu den in § 25 Abs 2 SGB 4 normierten allgemeinen Regelungen über die Unterbrechung bzw. Hemmung und den Neubeginn von Fristen dar (vgl. BSG vom 27.7.2011 - B 12 R 19/09 R = SozR 4-2600 § 198 Nr 1). Gleichzeitig kommt es vorliegend nicht darauf an, ob der gesetzlich nicht definierte Begriff des “Beitragsverfahrens„ grundsätzlich weit auszulegen ist (so aber ausdrücklich BSG vom 27.4.2010 - B 5 R 8/08 R = SozR 4-2600 § 233a Nr 1). Unter diesen Begriff sind nämlich zumindest solche Verwaltungsverfahren zu fassen, die auf die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht und damit auf die ordnungsgemäße Beitragserhebung abzielen (vgl BSG vom 27.7.2011 - B 12 R 19/09 R aaO).
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2007 wird geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 27. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2005 wird aufgehoben, soweit darin Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung für den Zeitraum 1. Januar 1995 bis 30. November 1999 nachgefordert wurden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger zu sieben Zwölftel und die Beklagte zu fünf Zwölftel; die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten insoweit jeweils selbst.
Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu sieben Zwölfteln und die Beklagte sowie die Beigeladene zu 3) gesamtschuldnerisch zu jeweils fünf Zwölfteln; die Beigeladenen zu 1), 2) und 4) tragen ihre außergerichtlichen Kosten insoweit jeweils selbst.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig sind die Feststellung von Versicherungspflicht und die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung für eine Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als Familienhelferin für das klagende Land in der Zeit vom 1. Dezember 1995 bis 31. Dezember 1999.
Die im Jahre 1958 geborene Beigeladene zu 1) erwarb am 21. November 1986 einen Studienabschluss als Diplompädagogin und am 14. November 1995 den als Diplompsychologin. Sie ist seit 1997 freiwilliges Mitglied der Beklagten.
Die Beigeladene zu 1) war seit Juli 1995 und bis einschließlich Dezember 1999 für den Kläger (Jugendamt T, Abt. Jugend und Sport) als Familienhelferin tätig. In einem bei den Akten des Klägers befindlichen “Personenblatt„ wurde sie als “freie Mitarbeiterin„ geführt. Im Juni 1999 bescheinigte ihr der Kläger, “durch Vermittlung des Jugendamtes T als Familienhelferin eingesetzt„ zu sein.
Zu ihrem Einsatz als Familienhelferin kam es, wenn der Kläger auf Antrag eines Erziehungsberechtigten Leistungen nach den §§ 27, 31 des Sozialgesetzbuchs / Achtes Buch (SGB VIII; Hilfe zur Erziehung, Sozialpädagogische Familienhilfe) bewilligt hatte. In diesen Fällen erstellte der Kläger durch einen Sozialarbeiter zunächst Hilfepläne, in denen der Einsatz eines Familienhelfers vorgesehen und Aufgaben und Ziele der Hilfen formuliert wurden. Die Bewilligung erfolgte gegenüber dem antragstellenden Erziehungsberechtigten und bezog sich auf die Übernahme der Kosten für den Einsatz eines Familienhelfers für bestimmte Zeiträume im Umfang der im Einzelnen bewilligten wöchentlichen Stunden. In den Bewilligungsbescheiden wurde der Name der Beigeladenen zu 1) genannt und darauf hingewiesen, dass mit ihr vom Kläger direkt abgerechnet werde. Die Beigeladene zu 1) erhielt Durchschriften der Bescheide, verbunden mit dem Hinweis, dass das Familienhelfergeld je Stunde 26,40 DM betrage. Für die Abrechnung hatte die Beigeladene zu 1) dem Kläger monatliche Stundenaufstellungen vorzulegen, die von ihr und den betreuten Familien zu unterschreiben waren. Der Kläger gewährte daneben auch Urlaubsabgeltung und einen Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von 6,6 vom Hundert.
Ab dem 1. Januar 2000 war die Beigeladene zu 1) bis zum 31. Juli 2002 als angestellte Familienhelferin bei der Diakoniegemeinschaft B beschäftigt, die als freier Träger Leistungen der Familienhilfe für den Kläger erbrachte.
Mit Schreiben vom 25. Mai 1999 w...