Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Betriebsweg. sachlicher Zusammenhang. tätlicher Angriff. Überfall. persönliches Tätermotiv. persönliche Feindschaft. betriebsfremde Beziehung: Nachbarstreit im Treppenhaus
Orientierungssatz
Nicht jeder körperliche Angriff auf einem Betriebsweg fällt unter den Schutz der Unfallversicherung. Wird der Beschäftigte während der Zurücklegung eines Betriebsweges - oder der Zurücklegung des Weges nach oder von der Arbeitsstätte - überfallen und hierbei verletzt, so ist der Versicherungsschutz dann ausgeschlossen, wenn der Angreifer durch persönliche Feindschaft gegen den Beschäftigten oder ähnliche, aus betriebsfremden Beziehungen stammende Beweggründe zum Überfall veranlasst worden ist und keine besonderen, der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Verhältnisse, beim Zurücklegen des Weges den Überfall wesentlich begünstigt haben.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht die Anerkennung eines Ereignisses am 28. Mai 2018 als Arbeitsunfall.
Der 1989 geborene Kläger war Pflegeperson und Lebensgefährte des Zeugen C E und bewohnte mit diesem gemeinsam eine Wohnung in der D in der 3. Etage. Bei Herrn E war ausweislich eines MDK Gutachtens vom 31. Mai 2017 ein Pflegegrad 3 unter anderem aufgrund eines (insulinpflichtigen) Diabetes mellitus mit Polyneuropathien festgestellt.
Am 28. Mai 2018 wurde der Kläger im Flur des Wohnhauses nach Verlassen der Wohnung von zwei Jugendlichen angegriffen. Er wurde vom 28. Mai 2018 bis zum 30. Mai 2018 unter den Diagnosen Fraktur des Jochbeins und des Oberkiefer links, Schädelhirntrauma I. Grades, Handprellung rechts, OSG- Distorsion links sowie einer Abschürfung Knie rechts im Unfallkrankenhaus Berlin stationär behandelt.
Am 4. Juni 2018 meldete der Kläger das Ereignis telefonisch bei der Beklagten als Unfall. Zudem meldete die Krankenkasse des Klägers einen Erstattungsanspruch an und verwies auf eine Telefonnotiz. Der Kläger habe mitgeteilt, dass er sich auf dem Weg zum Auto befunden habe, um dort das Blutzuckergerät für Herrn E zu holen. Dabei sei er von Nachbarn angegriffen worden.
Die Beklagte bat den Kläger mit Schreiben vom 20. Juli 2018 mitzuteilen, wann üblicherweise die (Insulin)Injektionen erfolgen, ob dies nachts der Fall sei und warum diese am Unfalltag erst um 01.30 Uhr stattfand. Zudem wurde gebeten mitzuteilen, ob dem Überfall eine Meinungsstreitigkeit vorausging und um Angabe der Namen der Täter gebeten. Zudem beantragte die Beklagte Akteneinsicht in die polizeiliche Ermittlungsakte.
Mit Schreiben vom 25. Juli 2018 ließ der Kläger die Fragen der Beklagten beantworten. Üblicherweise gehe Herr E zwischen 23.00 und 01.00 Uhr ins Bett. Gehe er früher ins Bett, so werde eben dann das Insulin gespritzt. An diesem Tag sei es später geworden. Bei der (durchgeführten) Insulingabe sei aufgefallen, dass das Blutzuckermessgerät sowie auch der PEN sich noch im Auto befanden. Daher habe der Kläger sich entschlossen, noch die Sachen aus dem Auto zu holen.
Während er zum Auto gehen wollte, sollte das Schlafzimmer gelüftet werden. Deswegen sei er zum Fenster getreten und habe gesehen, dass sich Jugendliche der Sozialeinrichtung C, die in der zweiten Etage eine betreute Wohngemeinschaft betreibe, sich auffällig am Fahrstuhl der 2. Etage verhielten. Er habe Herrn E dazu gezogen und beide hätten das ungewöhnliche Verhalten der Jugendlichen vom Fenster aus beobachtet. Zwei Jugendliche hätten dann den Fahrstuhl betreten und sich in die 3. Etage begeben.
Da der Kläger sich sowieso auf den Weg zum Auto habe begeben wollen, habe er die Wohnung verlassen. Damit habe sich zugleich die Möglichkeit eröffnet, bei der Gelegenheit zu schauen, was die Jugendlichen auf dem Flur der dritten Etage machten. Der Anlass, die Wohnung zu verlassen, sei aber die vergessene „Diabetes-Tasche" gewesen. Sofern die Beklagte danach frage, ob es bereits Meinungsverschiedenheiten gegeben habe, so erschließe sich der Hintergrund dieser Frage nicht. Auch dann habe der Täter ihn nicht „krankenhausreif" schlagen dürfen.
Die Beklagte zog die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft ( 264 Js 7431/18 ) bei. Aus diesen ergibt sich Folgendes: Bei Aufnahme der Strafanzeige (A 65-180528-0130-027573) gab der PHK B folgenden Sachverhalt wieder:
„Im vorliegenden Sachverhalt sind die Beteiligten, Herr K und Herr E (gemeinsame Lebensgemeinschaft) Mieter im Mehrfamilienhaus und die beiden Beteiligten Herr B und Herr W wohnen dort im Rahmen einer betreuten Wohngemeinschaft im dortigen Haus. Zwischen den Personen kommt es schon seit längerer Zeit zu unterschiedlichen Streitigkeiten. Herr B führte aus, dass der Fahrstuhl am heutigen Tag stark verschmutzt war und er vermutete, dass dieses durch die beiden Herrn K und Herrn E verursacht wurde. Daraufhin wollte er an der Wohnungstür nachschauen ob er irgendwelche Spuren erkennen kann, um einen Beweis für seine Vermutung ...