Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Beitragsbemessung freiwillig versicherter Mitglieder bei Bezug von Geldleistungen zur Erziehung eines Pflegekindes

 

Leitsatz (amtlich)

Das für Pflegekinder gezahlte Erziehungsgeld gem § 39 SGB VIII ist keine beitragspflichtige Einnahme gemäß § 240 SGB V.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. März 2014 sowie der Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2013 abgeändert. Die Beklagten werden verpflichtet, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den 30. Juni 2009 auf 8,00 € und 1,05 € festzusetzen. Für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 29. März 2010 werden die Beklagten verpflichtet, die monatlichen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 230,40 € und 31,42 € festzusetzen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat drei Viertel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Beitragsberechnung für den Zeitraum vom 30. Juni 2009 bis 30 Juni 2010.

Das Bezirksamt Mitte von Berlin hatte der Klägerin für die vertraglich vereinbarte Übernahme der Betreuung eines Pflegekindes durch Bescheide vom 16. Februar 2009 und 4. März 2010 Pflegegeld der Altersstufe 2, Erziehungsgeld, Beihilfepausschale abzüglich anteiligen Kindergeld in Höhe von 1.458.97 € ab dem 1. Februar 2009 und 1.453,97 € ab dem 1. Februar 2010 gewährt. Das Pflegegeld betrug jeweils 492,- €, das Erziehungsgeld 959,- € monatlich. Die Bundesagentur für Arbeit gewährte der Klägerin durch Bescheid vom 11. Juni 2009 für die Zeit vom 30. Juni 2009 bis 29. März 2010 einen Gründungszuschuss nach § 57 SGB III in Höhe von monatlich 1.491,30 €. Darin enthalten war eine Pauschale von 300,- € zur sozialen Sicherung.

Die Klägerin meldete sich durch Schreiben vom 25. Juni 2009 bei den Beklagten und gab an, ab dem 30. Juni 2009 nunmehr als Selbständige freiwillig versichert sein zu wollen. In den nächsten 12 Monaten werde sie neben dem Gründungszuschuss Einnahmen aus Personal- und Unternehmensberatung in voraussichtlicher Höhe von 500,- € monatlich haben. Einen Einkommenssteuerbescheid werde sie nach Erhalt vorlegen.

Durch Bescheid vom 20. Juli 2009 setzten die Beklagten die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 30. Juni 2009 auf der Grundlage von Einnahmen in Höhe von 1.393,48 € auf monatlich 226,44 € fest. Ab dem 30. März 2010 setzten die Beklagten durch Bescheid vom 17. Mai 2010 die Beiträge in Höhe von monatlich 311,39 € fest. Mit Wegfall des Gründungszuschusses gelte wieder die Mindestbemessungsgrundlage von 1.916,25 €. Beide Bescheide enthielten den Vorbehalt, dass die Beiträge anhand der geschätzten Einnahmen festgesetzt worden seien. Die endgültige Höhe werde aus dem ersten Einkommenssteuerbescheid zur selbständigen Tätigkeit ermittelt.

Im Februar 2011 wies die Klägerin die Beklagten darauf hin, dass sie keine Erwerbstätigkeit (mehr) ausübe. Das Jugendamt zahle ihr Erziehungsgeld für ihren Pflegesohn in Höhe von 959,- € monatlich. Im April 2011 legte die Klägerin ihren Einkommenssteuerbescheid für 2009 vom 11. April 2011 vor, wonach sie Einkünfte aus Gewerbetrieb in (negativer) Höhe von -1.277,- € sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 6.316,- € hatte.

Durch Bescheid vom 16. Juli 2012 setzten die Beklagten die Beiträge für die Zeit vom 30. Juni 2009 bis 30. Juni 2010 nunmehr endgültig fest. Aus dem Einkommenssteuerbescheid für 2009 und weiteren Einnahmen, u.a. dem vom Jugendamt gezahlten Pflegegeld, würden sich beitragspflichtige monatliche Einnahmen ergeben ab 30. Juni 2009 in Höhe von 2.259,75 € und ab 30. März 2010 in Höhe von 1.547,83 €. Die früheren Schätzungen blieben dahinter zurück, so dass ein zu tilgender Beitragsrückstand in Höhe von 1.496,09 € entstanden sei.

Die Klägerin erhob Widerspruch. Das Erziehungsgeld sei nicht einkommensrelevant. Der Steuerbescheid habe keinerlei neue Erkenntnisse erbracht, die eine Nachberechnung rechtfertigen würden. Das BSG habe am 29. März 2007 - (B 7b AS 12/06 R) entschieden, dass bei ALG II-Empfängern der im Pflegegeld enthaltene Erziehungsbeitrag kein zu berücksichtigendes Einkommen darstelle. Bei dem Erziehungsgeldanteil handele es sich um eine zweckgebundene Leistung. Der Gesetzgeber habe durch die verbesserten Leistungen breite Bevölkerungsschichten zur Aufnahme von fremden Kindern motivieren wollen und sie bewusst von Steuer- und Sozialversicherungspflicht ausgenommen. Das Erziehungsgeld habe sie über mehrere Jahre für die Finanzierung von therapeutischen Leistungen für das Kind verwandt. Seine Berücksichtigung für die Beitragsbemessung stelle eine ungerechtfertigte Benachteiligung der Pflegekinder von freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung dar.

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 10. April 2013 zurück. Bei der Berichtigung der Beitragsbemessung sei das für den Pflegesohn gezahlte Erzie...

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