Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. freiwilliges Mitglied. Beitragsbemessung. keine Berücksichtigung von den Pflegekindern zustehenden Erziehungsbeiträgen, die an die Pflegeeltern weitergereicht werden. Gerechtfertigkeit
Leitsatz (amtlich)
Das für Pflegekinder gezahlte Erziehungsgeld nach § 39 SGB VIII kann jedenfalls nach der Generalklausel des § 3 Abs 1 der Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler, juris: SzBeitrVfGrs) nicht als beitragspflichtige Einnahme gemäß § 240 SGB V berücksichtigt werden.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 26. September 2019 wird aufgehoben.
Die Beklagten werden unter Aufhebung des Bescheides vom 9. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2017 verpflichtet, den Bescheid vom 29. Dezember 2015 abzuändern und die monatlichen Beiträge für das Jahr 2016 für die freiwillige Krankenversicherung auf 150,09 € und für die Pflegeversicherung auf 25,18 € festzusetzen.
Die Beitragsbescheide vom 22. Dezember 2016, 11. Mai 2017 und vom 13. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2017 und die Beitragsbescheide vom 17. November 2017, 24. Mai 2018, 22. Oktober 2018, 14. Februar 2019, 26. März 2019, 20. Dezember 2021 und 8. Februar 2022 werden abgeändert. Die monatlichen Beiträge werden wie folgt festgesetzt:
Zeitraum |
Krankenversicherung |
Pflegeversicherung |
1.1. - 31.12.2017 |
153,71 € |
27,77 € |
1.1. - 31.12.2018 |
157,33 € |
28,42 € |
1.1. - 31.12.2019 |
160,94 € |
34,26 € |
1.1. - 31.12.2020 |
164,56 € |
35,04 € |
1.1. - 31.12.2021 |
169,98 € |
36,16 € |
1.1.2022 bis laufend |
169,98 € |
37,29 € |
Die Beklagten haben die der Klägerin entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung, konkret inwieweit Leistungen des Jugendamtes für die Erziehung von Pflegekindern zu berücksichtigen sind.
Die 1967 geborene Klägerin betreut seit Juli 2014 den 2011 geborenen T-H als Pflegekind, dazu seit Mai 2015 den 2010 geborenen A-A sowie seit Juni 2015 den 2012 geborenen M-E. Das Jugendamt des Landkreises T-F teilte ihr dazu jeweils mit, dass dem Kind als Hilfeempfänger Leistungen gem. §§ 27, 30 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) in Verbindung mit § 39 SGB VIII nach § 33 Abs. 1 SGB VIII für die materiellen Aufwendungen gewährt würden, sowie für die Kosten der Erziehung abzüglich einer (Teil-)Anrechnung des Kindergeldes (vgl. für M ausweislich des Mitteilungsschreibens vom 1. Juni 2015 508,00 € monatlich für materielle Aufwendungen, 237,00 € Kosten der Erziehung, abzüglich ¼ des Kindergeldes = 46,00 €). Teilweise wurde den Pflegekindern ein höherer Betrag für die Kosten der Erziehung für einen erweiterten pädagogischen Förderbedarf zuerkannt (vgl. Schreiben vom 22. Juli 2014: 600 €; weitere Schreiben vom 26. Mai 2015 für A und für T).
Die Klägerin war und ist seit 16. Dezember 2014 bis zum 31. Mai 2015 sowie ab 1. Dezember 2015 freiwillig krankenversichert. In der Zeit vom 1. Juni 2015 bis zum 30. November 2015 unterlag sie aufgrund des Bezuges von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) der Krankenversicherungspflicht.
Die Beklagte bestimmte für die Jahre 2014 und 2015 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nach der Mindestbemessungsgrenze.
In ihrer Erklärung vom 9. Dezember 2015 gegenüber der Beklagten zu 1 (nachfolgend nur noch: „die Beklagte“) gab die Klägerin an, keine eigenen Einnahmen zu haben und ihren Lebensunterhalt von „3 Pflegekindern à 237“ zu bestreiten. Sie reichte aktuelle Mitteilungsschreiben ein. Mit Bescheid vom 29. Dezember 2015 setzte die Beklagte die monatlichen Beiträge für die freiwillige Krankenversicherung ab 1. Januar 2016 auf 222,74 € sowie zur Pflegeversicherung auf 37,35 €, insgesamt 260,09 € fest. Sie ging dabei von beitragspflichtigen Einnahmen in Höhe von 1.437,00 € aus.
Die Klägerin bat mit Schreiben vom 4. Oktober 2016 unter Bezugnahme auf das Urteil des hiesigen Senates vom 11. März 2016 (L 1 KR 140/14) um Überprüfung, Neuberechnung und Erstattung.
Mit Bescheid vom 9. November 2016 lehnte die Beklagte eine Änderung des Beitragsbescheides vom 29. Dezember 2015 ab. Sie gehe nach Rücksprache mit dem Verband der Ersatzkassen davon aus, dass Beiträge zur Anerkennung beziehungsweise Abgeltung der Erziehungskosten einer Pflegeperson nach § 39 SGB VIII sowie Vollzeitpflege nach Maßgabe von § 27 i.V.m. § 33 SGB VIII zu den beitragspflichtigen Einnahmen im Sinne des § 240 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zählten. Der Bescheid ergehe auch im Namen der Beklagten zu 2. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 22. Dezember 2016 die Beträge ab 1. Januar 2017 auf insgesamt 262,98 € fest.
Die Klägerin reichte auch in der Folgezeit unter Beibehaltung ihres Standpunkts keine zu berücksichtigenden Einnahmen (außer Kindergeld) zu haben weitere Mitteilungsschreiben des Landkreises Teltow-Fläming für...