Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung der Rentner. Wohnsitz in der Schweiz. Bezug einer deutschen Altersrente. Zuschuss zur obligatorischen Krankenversicherung nach dem Schweizerischen Krankenversicherungsgesetz. keine Pflichtversicherung iS von § 106 Abs 1 SGB 6

 

Orientierungssatz

1. § 106 Abs 1 S 1 SGB 6 begründet bei europarechtskonformer Auslegung auch einen Anspruch auf Zuschuss zur Krankenversicherung für ein Versicherungsverhältnis in der Schweiz, wenn das schweizer Versicherungsunternehmen der dortigen staatlichen Aufsicht unterliegt.

2. § 106 Abs 1 S 2 SGB 6 (in der ab 1.5.2007 geltenden Fassung) schließt einen Anspruch auf Zuschuss zu einer ausländischen Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht aus.

3. Bei den Pflichten zum Abschluss von Krankenpflegeversicherungsverträgen nach den schweizerischen Rechtsvorschriften (sogenannte obligatorische Krankenpflegeversicherung) handelt es sich nicht um eine gesetzliche Krankenpflichtversicherung iS des § 106 SGB 6.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.05.2014; Aktenzeichen B 5 RE 8/14 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Oktober 2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des angefochtenen Urteils wie folgt neu gefasst wird: Die Bescheide vom 16. Juni 2009 und vom 24. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2010 werden teilweise aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab dem 1. Juni 2009 monatlich einen Zuschuss zu ihren Aufwendungen für die bei der G. M. bestehende Krankenversicherung zu zahlen.

Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten im gesamten Verfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung eines Beitragszuschusses zu den Aufwendungen für eine in der Schweiz bestehende Krankenversicherung.

Die 1938 geborene Klägerin verzog nach Zeiten der Beschäftigung in Deutschland und England am 1964 in die Schweiz, wo sie gegenwärtig lebt.

Ihren Antrag auf Altersrente nach Vollendung des 60. Lebensjahres vom 10. Juni 1998, mit dem sie die Formularfragen, ob sie Zuschüsse zu den Aufwendungen zur Krankenversicherung/Pflegeversicherung beantrage, verneint hatte, lehnte die Beklagte mangels Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bestandskräftig ab.

Auf ihren Antrag von Januar 2001 bewilligte ihr die Beklagte ab dem 1. September 2001 Altersrente für langjährig Versicherte unter Zugrundelegung von 5,7798 Entgeltpunkten und einem Zugangsfaktor von 0,940 (Rentenbescheid vom 14. Juni 2001) in Höhe von monatlich 268,99 DM u.a. mit dem Hinweis, es sei davon auszugehen, dass sie in ihrem Wohnstaat gesetzlich krankenversichert sei, so dass kein Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag aus der Rente einbehalten würde.

Auf ihren Überprüfungsantrag von Juli 2003 stellte die Beklagte die bisherige Altersrente der Klägerin ab dem 1. Juni 2002 nach den Verordnungen (EWG) - VO (EWG) - Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 neu fest (Rentenbescheid vom 12. Oktober 2004), und zwar u.a. mit dem wiederholten Hinweis, dass kein Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag aus der Rente einbehalten würde. Der monatliche Zahlbetrag der Rente ab dem 1. Dezember 2004 betrug 167,68 EUR.

Am 8. Juni 2009 (Schreiben vom 29. Mai 2009) beantragte die Klägerin bei der Beklagten einen Zuschuss zu einer ausländischen freiwilligen Krankenversicherung. Sie legte dem Antrag die Kopie einer Versicherungspolice für 2009 bei, wonach sie bei dem Schweizerischen Krankenversicherungsunternehmen “„ (nachfolgend: G.M.) krankenversichert sei. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16. Juni 2009 für die Zeit ab 1. Juni 2009 bis laufend mit der Begründung ab, die Klägerin sei in einer ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert bzw. werde von einem Einwohnerpflichtkrankenversicherungssystem erfasst. Dies schließe vom 1. Mai 2007 an den Zuschuss zur Krankenversicherung aus.

Nach einer von der Klägerin an die Beklagte übersandten Bescheinigung der G.M. vom 8. Juni 2009 bestand die Krankenversicherung seit 1. Januar 1999; die Mitgliedschaft sei sowohl obligatorisch als auch freiwillig und umfasse unter anderem die Kosten ambulanter Arztbehandlung, stationärer Krankenhausbehandlung, Aufwendungen für Arzneien und Heilmittel sowie die zahnärztliche Behandlung bzw. Zahnersatz. Die monatliche Beitrags-/Prämienhöhe hätte im Jahr 2006 insgesamt 607,40 CHF, im Jahr 2007 610,20 CHF, im Jahr 2008 685,40 CHF und im Jahr 2009 701,60 CHF betragen. Das Versicherungsunternehmen bestätigte zugleich, dass es der Aufsicht der Schweiz unterläge und auf die Krankenversicherungsleistungen ein Rechtsanspruch bestände, der weder von der Bedürftigkeit des Versicherungsnehmers noch von der Disposition eines Dritten abhinge.

Auf ihren am 29. Juni 2009 erhobenen Widerspruch unter Hinweis auf eine Vielzahl vergleichbarer Verfahren und einen sinngemäßen Ergänzungsantrag vom 18. August 2009 sowie Überprüfungsantra...

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