Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Schiedsverfahren. Auswahl der Schiedsperson. Anfechtungsklage. Verwaltungsakt. Erledigung. Ermessensausübung
Orientierungssatz
1. Die Anfechtungsklage wird nicht durch Erlass eines Schiedsspruchs unzulässig. Ein Verwaltungsakt bleibt gemäß § 39 Abs 2 SGB 10 wirksam, solange er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Eine Fortwirkung eines Verwaltungsaktes kann gerade auch darin bestehen, dass dieser noch die Grundlage für einen anderen Verwaltungsakt bildet. Nicht anders zu behandeln ist der Fall, dass der Verwaltungsakt Grundlage für eine andauernde Wirkung von Regelungen mit vertraglichem Rechtscharakter ist.
2. Die Aufsichtsbehörde hat bei Vorschlägen beider Vertragsparteien für die Bestimmung der Schiedsperson kein freies Ermessen dahingehend, eine der beiden Personen auszuwählen und ohne weitere Prüfung und Darlegung der Gründe zu bestimmen. Sie hat vielmehr eine abwägende Ermessensentscheidung dahingehend zu treffen, welcher Person unter Berücksichtigung des mit dem Schiedsverfahren verfolgten Ziels einer schnellen Befriedung des vertragslosen Zustandes der Vorzug zu geben ist. Dabei kann es sich bei gegenseitig bereits abgelehnten Vorschlägen geradezu aufdrängen, dass sich diese Ziele am ehesten durch eine dritte Person erreichen lassen, gegen die die Beteiligten bisher Vorbehalte nicht geäußert haben.
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 27. September 2011 wird aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 14. April 2010 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Aufhebung der Bestimmung einer Schiedsperson durch den Beklagten, hilfsweise die Feststellung der Rechtswidrigkeit.
Die Klägerin ist Leistungserbringerin im Bereich der häuslichen Krankenpflege mit Hauptsitz in B. Sie betreibt in P die rechtlich unselbstständige Sozialstation Sch.
Zwischen der Klägerin und der früheren AOK Berlin ist ein Vertrag nach § 132a Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vom 15. November 2001 nebst hiernach für unterschiedliche Zeiträume geänderten Vergütungsvereinbarungen zustande gekommen. In § 3 (Antragsvoraussetzungen, Mitteilungspflichten und Entscheidung) lautet Absatz 3:
Die Betriebsstätte muss sich im Land Berlin befinden. Für jede Einsatzstelle im Land Berlin ist ein gesonderter Vertrag nach Absatz 1 erforderlich. Dies gilt auch für Nebenstellen/Filialen, wenn diese zwar organisatorisch mit dem Pflegedienst verbunden, aber rechtlich nicht selbständig sind (gilt nicht für z.B. Beratungsbüros und Servicestellen).
§ 4 (Örtlicher Einzugsbereich) Abs. 1 lautet:
Der örtliche Einzugsbereich für die Leistungserbringung nach diesem Vertrag ist das Land Berlin.
Zwischen der Klägerin und der Beigeladenen sowie dem BKK Landesverband Ost, den Ersatzkassenverbänden, der LKK Mittel- und Ostdeutschland, handelnd als Landesverband für die landwirtschaftliche Krankenversicherung, und der DRV Knappschaft Bahn See besteht ein Vertrag nach § 132a Abs. 2 SGB V für die Zeit ab dem 1. September 2005. Gegenstand des Vertrags ist die Leistungserbringung durch die Sozialstation Biedermann in Prenzlau. Nach § 3 des Vertrages erstreckt sich der Geltungsbereich ausschließlich auf den genannten Pflegedienst mit Betriebssitz in B. In § 37 des Vertrages haben die Vertragspartner ein Schiedsverfahren vereinbart. Hiernach setzt die Einleitung des Schiedsverfahrens voraus, dass nach intensiven Verhandlungen von einem Vertragspartner schriftlich das Scheitern der Verhandlungen erklärt wurde (Absatz 1). Die Schiedsperson wird einvernehmlich durch die Vertragspartner bestimmt. Sie soll die Befähigung zum Richteramt haben, unparteiisch, unabhängig sein und führt ihr Amt als Ehrenamt. Jeder Vertragspartner hat ein Vorschlagsrecht. Kommt eine Einigung über die Schiedsperson innerhalb von sechs Wochen nicht zustande bzw. wird von der gemeinsamen Bestellung kein Gebrauch gemacht, wird diese von der/den zuständigen Aufsichtsbehörden(n) der jeweiligen Krankenkasse(n) bestimmt (§ 37 Absatz 2). Zu diesem Vertrag gehörte ferner eine Vergütungsvereinbarung (Anlage 5). Nach § 36 Absatz 1 des Vertrages treten der Vertrag und die Vergütungsvereinbarung am 1. September 2005 in Kraft. Sie können ordentlich von jeder Vertragspartei mit einer Frist von sechs Monaten ganz oder teilweise und unabhängig voneinander gekündigt werden, jedoch nicht vor dem 31. März 2006.
Nach vorheriger kassenseitiger Kündigung (nur) der Vergütungsvereinbarung betreffend den für B bestehenden Vertrag zum 30. Juni 2008 verhandelte die Klägerin mit der Arbeitsgemeinschaft der Verbände der Krankenkassen im Land B (Arge) als Vertreterin der Krankenkassen im Jahr 2008 über eine neue Vergütungsvereinbarung. Mit Schreiben vom 24. September 2008 wurden die Verhandl...