Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. abschließende Entscheidung nach vorläufiger Bewilligung. Feststellung des Nichtbestehens eines Leistungsanspruchs. teilweise Übersendung von Unterlagen im Widerspruchsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Das Jobcenter ist verpflichtet, die erst im Widerspruchsverfahren getätigten Angaben eines Leistungsempfängers im Rahmen der Behördenentscheidung gemäß § 41a Abs 3 SGB II noch zu berücksichtigen (Anschluss an BSG vom 12.9.2018 - B 4 AS 39/17 R = BSGE 126, 294 = SozR 4-4200 § 41a Nr 1, RdNr 35 ff).
2. Übersendet der Leistungsberechtigte die unter Fristsetzung angeforderten Unterlagen im Verwaltungsverfahren nur teilweise, muss ihn das Jobcenter vor Erlass eines die Leistung auf abschließend Null feststellenden Bescheides oder einer Bestätigung einer solchen Entscheidung im Widerspruchsverfahren darauf hinweisen, dass ihm die Unterlagen nicht vollständig vorliegen und Gelegenheit geben, dies nachzuholen. Dies gilt umso mehr, wenn sich der Leistungsberechtigte übersendungsbereit zeigt.
Tenor
Die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Januar 2018 werden zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt 70 % der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die endgültige Festsetzung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes auf 0,00 Euro und die Erstattung von vorläufig bewilligten Leistungen in Höhe von insgesamt 1.059,84 Euro für den Leistungszeitraum März 2016 bis einschließlich August 2016.
Der Kläger ist 1957 geboren und war nach eigenen Angaben bereits seit 2012 als Selbständiger im Bereich des Büro-, Buchführungs- und Lohnbuchführungs-Service tätig. Er bezog von dem Beklagten im Jahr 2015 ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er bewohnte eine Wohnung zu einer monatlichen Gesamtmiete von 821,35 Euro und erzielte aus Untervermietung ein Einkommen in Höhe von 404,88 Euro, so dass sein Anteil an den Kosten der Unterkunft monatlich 416,47 Euro betrug.
Der Kläger beantragte am 1. März 2016 bei dem Beklagten die Weiterbewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Er erwarte ab März 2016 monatliche Einkünfte (Betriebseinnahmen) aus der selbständigen Tätigkeit in Höhe von 1.000,00 Euro und einen monatlichen Gewinn zwischen 108,51 Euro und 775,09 Euro.
Mit Bescheid vom 2. März 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum März 2016 bis August 2016 in Höhe von monatlich 176,64 Euro. Der Beklagte berücksichtigte ein monatliches Durchschnittseinkommen in Höhe von 904,79 Euro und Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 416,47 Euro. Eine abschließende Entscheidung sei erst möglich, wenn die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben im Bewilligungszeitraum feststünden. Der Kläger erhalte einen Bescheid, sobald über seinen Antrag endgültig entschieden werde und sein Anspruch von dem vorläufig bewilligten abweiche. Die bis dahin gezahlten vorläufigen Leistungen würden auf die zustehende Leistung angerechnet, zu viel gezahlte Leistungen seien zu erstatten (Hinweis auf § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 Abs. 2 SGB III).
Der Beklagte forderte den Kläger am 1. Februar 2017 unter Bezugnahme auf seine Mitwirkungspflichten auf, den Nachweis über die tatsächlichen Einkünfte und Ausgaben für die selbständige Tätigkeit für die Monate März 2016 bis August 2016 spätestens bis zum 1. März 2017 vorzulegen. Am 21. April 2017 und 12. Mai 2017 forderte der Beklagte den Kläger auf, den beigefügten Vordruck „Anlage EKS“ mit abschließenden Angaben zu seinen Einkünften und Ausgaben aus der selbständigen Tätigkeit für den o.g Zeitraum bis zum 7. Mai 2017 bzw. bis zum 29. Mai 2017 nebst den entsprechenden Belegen bei dem Beklagten ausgefüllt einzureichen. Er teilte ergänzend mit, nach Ablauf der letzten Frist werde der Leistungsanspruch in der Höhe festgesetzt, „soweit es ohne Ihre Mitwirkung möglich ist“. Für Monate ohne entsprechende Nachweise bestehe kein Leistungsanspruch. Die für diese Monate vorläufig gewährten Leistungen seien vollständig zu erstatten (Hinweis auf § 41a Abs. 3 SGB II).
Die angeforderten Nachweise befinden sich nicht bei der vom Beklagten als Verwaltungsvorgang überreichten „Behelfsakte“.
Mit Bescheid vom 7. Juni 2017 setzte der Beklagte unter Berufung auf § 41a Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB II (in der ab dem 1. August 2016 geltenden Fassung) die Leistungen des Klägers für den Zeitraum vom 1. März 2016 bis zum 31. August 2016 auf 0,00 Euro fest. Der Kläger habe trotz zweimaliger fristgebundener Aufforderung, die zum Erlass einer abschließenden Entscheidung geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen, die Anlage EKS sei mit den abschließenden Angaben für den o.g. Zeitraum nicht fristgerecht eingereicht worden.
Mit weiterem Bes...