Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsförderung. Vorliegen eines "engen zeitlichen Zusammenhangs" zwischen Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit und dem Vorbezug von Entgeltersatzleistungen als Voraussetzung für die Gewährung von Überbrückungsgeld

 

Orientierungssatz

1. Eine unbillige Härte im Sinne von § 324 Abs. 1 S. 2 SGB III liegt weder vor, wenn die Frist des § 324 Abs. 1 S. 1 SGB III geringfügig überschritten wird, noch wenn im Falle einer Ablehnung die Notwendigkeit der Beantragung anderweitiger Sozialleistungen besteht. Zu berücksichtigen ist, ob der Antragsteller die verspätete Antragstellung zu vertreten hat, wobei entsprechende Gründe von ihm vorzutragen sind.

2. Die Bedürftigkeit nach § 190 Abs. 1 SGB III a.F. war eine Anspruchsvoraussetzung der Arbeitslosenhilfe, so dass eine fehlende Bedürftigkeit im Sinne von § 193 SGB III a.F. den Anspruch insgesamt entfallen ließ.

3. Für den engen zeitlichen Zusammenhang im Sinne von § 57 Abs. 2 Nr. 1 SGB III ist auf den Zeitraum zwischen dem tatsächlichen Leistungsbezug und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit abzustellen. Dieser Übergangszeitraum darf höchstens etwa einen Monat betragen.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. September 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Überbrückungsgeld zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ab dem 18. Juni 2003.

Der im Libanon geborene Kläger lebt seit 1990 in der Bundesrepublik Deutschland. Er bezog von der Beklagten bis zum 24. Dezember 2002 Arbeitslosengeld und anschließend bis zum 14. April 2003 Arbeitslosenhilfe nach einem Bemessungsentgelt von 215 € in Höhe eines täglichen (erhöhten) Leistungssatzes von 9,70 € unter Berücksichtigung der Leistungsgruppe D. Am 18. April 2003 beantragte er die Fortzahlung der Arbeitslosenhilfe, diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Juni 2003 mangels Bedürftigkeit aufgrund der Einkünfte der Ehefrau ab.

Am 13. Juni 2003 beantragte der Kläger die Gewährung von Überbrückungsgeld zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nach § 57 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III). In seinem Antrag erklärte er, bestätigt durch seine Unterschriften mit Datum vom 18. Juni 2003, er werde am gleichen Tage (18. Juni 2003) eine selbstständige Tätigkeit in Vollzeit (40 Stunden/wöchentlich) mit einem italienischen Imbiss/Restaurant/Pizzeria aufnehmen . Ferner erklärte er, in der Vergangenheit nicht selbstständig tätig gewesen zu sein. Seinem Antrag fügte er eine Kopie der Gewerbeanmeldung beim Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin vom 30. Mai 2003 bei; in dieser Gewerbeanmeldung war als Datum des Beginns der angemeldeten Tätigkeit der 10. Juni 2003 genannt. Ferner war dem Antrag eine vorläufige Erlaubnis dieses Bezirksamtes vom 30. Mai 2003 nach § 11 Abs. 1 des Gaststättengesetzes für den Zeitraum vom 10. Juni 2003 bis zum 9. September 2003 beigefügt. Schließlich reichte der Kläger eine Bescheinigung der Industrie- und Handelskammer zu Berlin über die Unterrichtung nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 des Gaststättengesetzes vom 5. Juni 2003ein. Das Gewerbe meldete er ausweislich der Bescheinigung das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf vom 12. November 2004 schließlich zum 15. November 2004 wieder ab.

Mit Bescheid vom 14. Juli 2003 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Überbrückungsgeld ab. Überbrückungsgeld könne nach § 57 SGB III nur gewährt werden, wenn der Arbeitnehmer im laufenden Arbeitslosengeld- oder Arbeitslosenhilfebezug stehe. Der Antrag auf Arbeitslosenhilfe vom 18. April 2003 sei jedoch wegen fehlender Bedürftigkeit abgelehnt worden; der Kläger stehe somit nicht im Leistungsbezug.

Hiergegen erhob der Kläger am 24. Juli 2003 mit der Begründung Widerspruch, er habe noch bis zum 15. April 2003 im Leistungsbezug gestanden. Ein erneuter Antrag auf Arbeitslosenhilfe sei nur wegen der fehlenden Bedürftigkeit abgelehnt worden. Er sei daher grundsätzlich leistungsberechtigt gewesen; lediglich das Einkommen der Ehefrau habe einer Leistungsgewährung entgegengestanden.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchbescheid vom 10. Juni 2004 zurück. Zwischen dem Tag des letzten Leistungsbezuges (14. April 2003) und der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit (am 18. Juni 2003) bestehe kein enger zeitlicher Zusammenhang im Sinne von § 57 Abs. 2 Nr. 1 SGB III.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 15. Juli 2004 bei dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Bereits mit Mietvertrag vom 15. Mai 2003 habe er die Gaststättenräume zum 1. Juni 2003 angemietet. Seit Anfang Mai 2003 sei er damit befasst gewesen, die Gaststättenräume für den beabsichtigten Betrieb herzurichten. Der enge zeitliche Zusammenhang dürfe nicht starr auf einen Monat beschränkt werden. Im Übrigen stelle § 57 Abs. 2 SGB III darauf ab, ob Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen worden seien oder ein Ans...

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