Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Glaubhaftmachung einer Zeit der Beschäftigung in einem Ghetto als Beitragszeit
Orientierungssatz
1. Eine vom Versicherten im Ghetto verbrachte Zeit ist nach § 1 Abs. 1 S. 1 ZRBG als Beitragszeit zu berücksichtigen, wenn die dortige Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist und gegen Entgelt ausgeübt wurde. Zu deren Anrechnung genügt Glaubhaftmachung.
2. Ein genereller Arbeitszwang allein macht die mit Rücksicht darauf ausgeübte Tätigkeit nicht zur Zwangsarbeit und steht deshalb einer Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss nicht entgegen. Eine solche ist erst dann nicht mehr gegeben, wenn jemand zu einer spezifischen Arbeit gezwungen wurde (BSG Urteil vom 3. 6. 2009, B 5 R 26/08 R).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung der Zeit von August 1941 bis Dezember 1943 als Zeit der Beschäftigung in einem Ghetto sowie von Ersatzzeiten.
Der 1912 in J (auch J oder J) im Landesteil Moldau, Rumänien, geborene Kläger lebt in Israel, dessen Staatsangehörigkeit er auch besitzt. Er wurde als Jude von den Nationalsozialisten verfolgt und ist als Verfolgter im Sinne des § 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anerkannt. In einer eidesstattlichen Erklärung gegenüber dem Bezirksamt für Wiedergutmachung Koblenz gab der Kläger am 30. April 1962 an, er habe als Jude in Rumänien unter den allgemeinen antijüdischen Verfolgungsmaßnahmen gelitten und habe von Juli 1941 bis zum 23. August 1944 das Judenzeichen in J-Rumänien getragen. Mit eidesstattlichen Versicherungen jeweils vom 6. Mai 1962 bestätigten Frau E und Frau M, den Kläger seit der Vorkriegszeit aus J-Rumänien zu kennen. Seit Juli 1941 bis 23. August 1944 habe er in J das Judenzeichen tragen müssen. Mit diesem Kennzeichen hätten sie den Kläger ständig während dieser Zeit gesehen. Sie könnten deswegen die Freiheitsbegrenzung bzw. - entziehung des Klägers während dieser Zeit aus eigenem Wissen bestätigen. In einer Anfrage an den Internationalen Suchdienst des Roten Kreuzes (ITS) in Arolsen gab der im Entschädigungsverfahren bevollmächtigte Rechtsanwalt an, der Kläger habe in der Zeit von Juli 1941 bis zum 23. August 1944 in J einen Freiheitsschaden durch Tragen des Judensterns erlitten. Er sei am 23. August 1944 befreit worden und dann bis Oktober 1944 in J verblieben. Anschließend habe er sich einen Monat in B aufgehalten und dann acht Monate in Wien im R Spital, anschließend drei Monate in S und einen Monat in B [richtig: ]. Die Auswanderung sei im November 1944 von Bt-Rumänien nach Palästina via Österreich und Deutschland erfolgt, per Eisenbahn und von Deutschland per Flugzeug, mit seiner Gattin und drei Kindern. Weiter findet sich in den Entschädigungsakten ein mit Schreibmaschine ausgefüllter und vom Kläger am 6. Mai 1962 unterzeichneter Fragebogen, in dem angegeben wurde, dass der Kläger sich von Juli 1941 bis 23. August 1944 in J-Rumänien aufgehalten habe und dort in der Freiheit beschränkt worden sei durch vollständige Freiheitsentziehung, Sperrstunden, “diff. gelb. Judenkennzeichen getragen„. Am 23. August 1944 seien sie von den russischen Truppen befreit worden.
In Israel hat der Kläger insgesamt 276 Monate Beiträge zur dortigen Rentenversicherung entrichtet und bezieht seit dem 1. April 1977 eine Altersrente.
Am 4. Juni 2010 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Altersrente aufgrund einer Arbeit im Ghetto. Er gab an, in der Zeit von Dezember 1941 bis Dezember 1943 im Ghetto Balta in Transnistrien Bauarbeiten bzw. Landwirtschaftsarbeiten ausgeübt zu haben, Arbeitsstelle sei das Ghetto und Arbeitgeber der Judenrat gewesen. Vorher, in der Zeit von Oktober 1941 bis November 1941, habe er in J den Judenstern tragen müssen.
In den Akten der Beklagten findet sich eine “Ghettoliste„, in der für Balta in der Ukraine, Gebiet Odessa; Transnistrien, ein Ghetto aufgeführt ist, das am 30. August 1941 eröffnet und am 18. März 1944 liquidiert wurde. Im Ghetto hätten sich 4000 Juden befunden, zwei Waisenhäuser seien unterhalten worden.
Mit Bescheid vom 24. August 2011 hat die Beklagte den Antrag auf Anerkennung von Ghetto-Beitragszeiten abgelehnt. Die Arbeitszeit von Dezember 1941 bis Dezember 1943 im Ghetto Balta sei nicht glaubhaft gemacht worden. Nach Auswertung der Entschädigungsakte des Amtes für Wiedergutmachung habe sich der Kläger von Juli 1941 bis August 1944 in J/Rumänien aufgehalten und sei dort den Verfolgungsmaßnahmen gegen Juden ausgesetzt gewesen. Obwohl sie die jüngsten Angaben besonders beachtet hätten, könnten sie sich die verbleibenden Widersprüche nicht erklären. Nach ihrem Kenntnisstand seien die Angaben nicht plausibel.
Am 20. März 2012 stellte der Kläger über seine Bevo...