Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Streit über Zugehörigkeit eines Rentenzahlungsanspruchs zur Insolvenzmasse. Zuständigkeit des Sozialgerichts als Prozessgericht
Leitsatz (amtlich)
Die Entscheidung über die Zugehörigkeit eines Rentenzahlungsanspruchs zur Insolvenzmasse obliegt dem Sozialgericht als Prozessgericht und nicht dem Insolvenzgericht als Vollstreckungsgericht, wenn über die Massezugehörigkeit als solche zu entscheiden ist und nicht über die Zulässigkeit der Vollstreckung gestritten wird (Anschluss an die Rechtsprechung des BGH vom 27.9.2018 - IX ZA 4/18 = NZI 2019, 43).
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Mai 2018 wird das Urteil insoweit aufgehoben, wie eine Zahlungspflicht vor dem 1. Januar 2016 festgestellt wurde. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers - als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Beigeladenen - gegen die Beklagte auf Auszahlung der pfändbaren Rentenzahlungen an sich seit dem 27. November 2015.
Die Beigeladene (geboren 1956) bezieht eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Beklagten mit dem Rentenbeginn am 1. September 2014. Der Zahlungsanspruch beträgt im streitigen Zeitraum ab dem:
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1. September 2014 |
1.128,19 Euro |
1. Januar 2015 |
1.124,42 Euro |
1. Juli 2015 |
1.151,24 Euro |
1. Juli 2016 |
1.214,15 Euro |
1. Januar 2017 |
1.211,44 Euro |
1. Juli 2017 |
1.249,21 Euro |
1. März 2018 |
1.243,61 Euro |
1. Juli 2018 |
1.284,99 Euro |
1. Januar 2019 |
1.328,14 Euro |
1. Juli 2019 |
1.377,46 Euro |
1. Juli 2020 |
1.432,56 Euro |
Das Amtsgericht B (Vollstreckungsgericht) hat mit Beschluss vom 27. November 2015 auf den Antrag vom 30. Oktober 2015 über das Vermögen der Beigeladenen das Insolvenzverfahren eröffnet, weil die Beigeladene zahlungsunfähig war. Zum Insolvenzverwalter bestellte es den Kläger. Der Beschluss enthält den Hinweis, dass Personen, die Verpflichtungen gegenüber der Schuldnerin haben, aufgefordert werden, nicht mehr an diese, sondern an den Insolvenzverwalter zu leisten.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2015 - Eingang bei der Beklagten am 28. Dezember 2015 - zeigte der Kläger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber der Beklagten an und bat um Überweisung der pfändbaren Einkommensteile bei Anfall in die Insolvenzmasse.
Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 5. Januar 2016, dass sie grundsätzlich zur Zahlung bereit sei. Weiterhin führte sie aus, dass der monatliche Zahlbetrag der Rente ab Januar 2016 bei 1.151,24 Euro liege und damit bei Berücksichtigung der Unterhaltspflicht für 1 Person unterhalb der Pfändungsfreigrenze, sodass pfändbare Beträge nicht zur Verfügung stehen würden.
Die Beigeladene und ihr Ehegatte erklärten mit Schreiben vom 25. Januar 2016, dass kein Unterhalt gewährt werde und sie in getrennten Wohnungen leben würden.
Der Kläger wies die Beklagte mit Schreiben vom 28. Januar 2016 darauf hin, dass keine zu berücksichtigende Unterhaltspflicht bestehe.
Hierauf antwortete mit Schreiben vom 4. Februar 2016 nunmehr die Beklagte, dass eine unterhaltsberechtigte Person bei der Berechnung des pfändbaren Betrages zu berücksichtigen sei, weil die Schuldnerin verheiratet sei. Einwendungen gegen die Berücksichtigung des Ehemannes könnten nur beim Amtsgericht geltend gemacht werden.
Am 2. März 2017 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Berlin Prozesskostenhilfe beantragt und für den Fall der Gewährung die Erhebung einer Klage mit u.a. dem Antrag angekündigt:
die pfändbaren Rentenanteile der Insolvenzschuldnerin, Frau B S, nach §§ 850 Abs. 2, 850c Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) seit dem 27. November 2015 an den Kläger zu zahlen.
Mit Beschluss vom 10. April 2017 hat das Sozialgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe gewährt und am 22. Mai 2017 hat der Kläger die angekündigte Klage erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die pfändbaren Einkommensteile der Insolvenzschuldnerin der Insolvenzmasse zustehen würden. Die Berücksichtigung einer Unterhaltspflicht komme nur in Betracht, wenn tatsächlich Unterhalt gewährt werde. Der Hinweis der Beklagten auf einen möglichen Beschluss des Amtsgerichts als Vollstreckungsgerichts sei fehlerhaft.
Mit dem Urteil vom 16. Mai 2018 hat das Sozialgericht Berlin die Beklagte verurteilt, die pfändbaren Rentenanteile der Insolvenzschuldnerin, Frau B S, nach §§ 850 Abs. 2, 850c Abs. 1 Satz 1 ZPO seit dem 27. November 2015 an den Kläger zu zahlen und die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu tragen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte bei der Berechnung des pfändbaren Betrages den Ehemann der Beigeladenen hätte außeracht lassen müssen. Dementsprechend sei der pfändbare Betrag der Rente nach § 850c Abs. 1 Satz 1 ZPO (1. Spalte Pfändungstabelle) s...