Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Maskenbildner oder Visagisten
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird, der Betreffende in einen fremden Betrieb eingegliedert und einem Weisungsrecht unterworfen ist. Dagegen ist die selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte und die freie Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft gekennzeichnet. Die Tätigkeit eines Maskenbildners oder eines Visagisten kann sowohl abhängig als auch selbständig ausgeübt werden.
2. Ist der als Maskenbildner oder Visagist Tätige bei Ausführung seiner Tätigkeit an keinerlei Weisungen gebunden, kann er seine Arbeitszeit frei einteilen und ist er berechtigt, zu den Arbeiten einen Vertreter zu entsenden, so sprechen solche Umstände deutlich für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit.
3. Dies gilt erst recht dann, wenn er bei Ausübung seiner Tätigkeit keinerlei Vorgaben eines Dritten zu befolgen hat, arbeitsorganisatorisch selbständig arbeiten kann, bei seiner Tätigkeit eigene Arbeitsmittel benutzt, auch für weitere Auftraggeber tätig und am Markt werbend tätig ist.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Januar 2012 wird zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 22. April 2013 wird aufgehoben.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) zu tragen; im Übrigen sind keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht der Klägerin in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung während ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1).
Die Klägerin ist Diplom-Maskenbildnerin und übt diesen Beruf seit 2005 für verschiedene Auftraggeber aus. Die Künstlersozialkasse stellte mit Bescheid vom 25. Juli 2006 Versicherungspflicht ab dem 19. April 2006 in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung fest und führte aus, dass die Klägerin zum Personenkreis der selbständigen Künstler und Publizisten im Sinne des Künstlersozialversicherungsgesetzes gehöre.
Am 14. November 2008 schlossen die Klägerin und die Beigeladene zu 1) einen “Vertrag über freie Mitarbeit„ über die Laufzeit vom 1. Dezember 2008 bis zum 31. Oktober 2009. Danach sollte die Klägerin für ein Honorar von 205,- € pro Sendung als Maskenbildnerin für 108 Sendungen X tätig sein. Die Beigeladene zu 1) produzierte diese Sendung als Wissensmagazin für Arte. Entsprechend der geschlossenen Vereinbarung war die Klägerin vom 27. November 2008 bis zum Juli 2009 jeweils mehrere Tage im Monat als Maskenbildnerin für die Moderatoren von X tätig.
Am 28. November 2008 beantrage die Beigeladene zu 1) bei der Beklagten die Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Klägerin, die am 2. Februar 2009 auch selbst einen entsprechenden Antrag bei der Beklagten stellte. Nach Rückfrage bei der Klägerin zu den Umständen ihrer Tätigkeit hörte die Beklagte die Klägerin und die Beigeladene zu 1) dazu an, dass sie beabsichtige, ab dem 1. Dezember 2008 das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung festzustellen. Ungeachtet der dazu von der Beigeladenen zu 1) erhobenen Gegenvorstellungen entschied die Beklagte durch an die Klägerin und an die Beigeladene zu 1) gerichtete Bescheide vom 19. März 2009, dass die Klägerin ihre Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) ab dem 1. Dezember 2008 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Die Klägerin habe hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort sowie Art und Weise der Tätigkeit keine eigenen Gestaltungsmöglichkeiten. Auch fehle das für Selbständige typische unternehmerische Risiko, da keine eigenen Arbeitsmittel in erheblichem Umfang mit der Gefahr des Verlusts eingesetzt würden.
In ihrem Widerspruch verwies die Klägerin auf das Fehlen von Weisungsgebundenheit und auf den Einsatz eigener Arbeitsmittel. Ihre Selbständigkeit sei seit 2006 von der Künstlersozialkasse anerkannt. Außerdem sei sie damit einverstanden, dass die Beklagte eine abhängige Beschäftigung erst mit Wirkung vom Ergehen der Entscheidung an feststelle werde. Auch die Beigeladene zu 1) erhob Widerspruch.
Die Beklagte half den Widersprüchen insoweit ab, als sie durch Bescheide vom 1. Juli 2009 (berichtigt durch Schreiben vom 12. August 2009) den Beginn der Versicherungspflicht auf den 23. März 2009 (drei Tage nach Absendung des Bescheides vom 19. März 2009) festsetzte. Im Übrigen wies die Beklagte die Widersprüche durch Widerspruchsbescheide vom 4. November 2009 zurück. Der Vertrag enthalte eine summarische Aufzählung geschuldeter Arbeitsleistungen. Die Klägerin habe ihre Tätigkeit eingebunden in die laufende Produktion und danach gemäß den Vorgaben der Beigeladenen zu 1) verrichten müssen. Es sei eine sendungsbezogene Vergütung gezahlt worden. Die Klägeri...