Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Familienversicherung. Rückkehr von privat versichertem Altersrentner in die gesetzliche Krankenversicherung. vorübergehende Wahl einer Teilrente (hier: vier Monate). vorausschauende Betrachtungsweise der Einkommensverhältnisse. regelmäßiges Einkommen. Jahresbetrachtung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Bezug einer Teilrente für nur vier Monate ermöglicht regelmäßig keinen Wechsel von der privaten Krankenversicherung in die gesetzliche Familienversicherung, da die nur vorübergehend bezogene Teilrente kein regelmäßiges Einkommen darstellt.
2. Die Familienversicherung soll Familien entlasten, daher sind nur solche Familienangehörige beitragsfrei mitzuversichern, die gegenwärtig und in absehbarer Zukunft bedürftig sind und bleiben.
3. Bezieher von Renten sind in der Familienversicherung zu versichern, wenn die Prognose des durchschnittlichen Einkommens aus derzeitiger Teilrente und beabsichtigter Vollrente für zwölf Monate die maßgeblichen Einkommenswerte unterschreitet.
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 7. März 2024 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger und Berufungskläger zu 1 (im Folgenden nur Kläger) in der gesetzlichen Krankenversicherung seiner Ehefrau, der Klägerin und Berufungsklägerin zu 2 (im Folgenden nur Klägerin), im Rahmen der Familienversicherung bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert war und nachfolgend in der obligatorischen Anschlussversicherung krankenversichert ist.
Der im August 1954 geborene und in Brandenburg wohnhafte Kläger ist seit 2008 privat krankenversichert und mit der Klägerin seit Juli 2019 verheiratet. Zum 1. Mai 2020 trat er in den Ruhestand, meldete zum 15. Mai 2021 sein Gewerbe ab und beendete damit die Ausübung seiner hauptberuflichen selbstständigen Tätigkeit. Seit Juli 2021 bezieht er eine Betriebsrente in Höhe von monatlich 201,28 Euro. Er bezieht zusätzlich eine gesetzliche Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Berlin-Brandenburg. Zum 1. September 2021 wählte der Kläger gegenüber dieser eine Teilrente. Die DRV Berlin-Brandenburg berechnete die Rente mit Bescheid vom 26. Juli 2021 neu, ab 1. September 2021 betrug der Zahlbetrag der nun gewählten Teilrente 258,11 Euro zzgl. eines Zuschusses zum Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 20,52 Euro.
Am 4. August 2021 beantragte die Klägerin über ein Maklerbüro bei der Beklagten die Aufnahme des Klägers in die Familienversicherung zum 1. September 2021 unter Bezugnahme auf die geringeren Einkünfte des Klägers ab diesem Zeitpunkt. Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Klägerin mit Schreiben vom 15. September 2021 mit, dass der Kläger die Vollrente nach ca. 3 bis 4 Monaten wieder beantragen werde.
Mit Bescheid vom 30. September 2021 lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Aufnahme des Klägers in die Familienversicherung zum 1. September 2021 mit der Begründung ab, dass das regelmäßige monatliche Einkommen die Einkommensgrenze von 470 Euro übersteige, der zwischenzeitliche Bezug der Teilrente könne nicht als regelmäßiges Einkommen berücksichtigt werden, sodass eine Familienversicherung ausscheide. Die Kläger erhoben hiergegen Widerspruch und verwiesen auf die Hinweise des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) zum Gesamteinkommen im Rahmen der Prüfung des Gesamteinkommens der Familienversicherung vom 12. Juli 2019, aus denen sich ergebe, dass für die Einkommensprognose auf einen Zeitraum von drei Monaten abzustellen sei. Die Tatbestandswirkung der Entscheidung der DRV Berlin-Brandenburg sei von der Beklagten hinzunehmen.
Seit dem 1. Januar 2022 bezieht der Kläger eine Rente von der DRV Berlin-Brandenburg mit einem Zahlbetrag oberhalb von 470 Euro pro Monat.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2022 wies die Beklagte die Widersprüche der Kläger zurück. Der vorübergehende Bezug einer Teilrente sei zum Zeitpunkt des Antrages auf Familienversicherung von vornherein nur für einen kurzen begrenzten Zeitraum von max. vier Monaten und damit nicht dauerhaft geplant gewesen. Mit Bezug der Vollrente werde die Gesamteinkommensgrenze überschritten. Die Durchführung der Familienversicherung sei daher nicht möglich.
Hiergegen haben die Kläger am 9. Juni 2022 vor dem Sozialgericht (SG) Neuruppin Klage erhoben. Sie haben beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der streitigen Bescheide zu verurteilen, den Kläger ab 1. September 2021 in die Familienversicherung aufzunehmen. Zur Begründung haben sie ausgeführt, eine Teilrente könne auch beansprucht werden, wenn dies zulasten der Krankenkasse oder unterhaltsberechtigter Personen gehe. Die Ermittlung des Gesamteinkommens habe im Wege einer vorausschauenden Prognose zu erfolgen und es seien nur die ab 1. September 2021 in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages von 459,39 Euro bezogenen Renten zu berücksichtigen. De...