Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Familienversicherung. Rückkehr von privat versicherten Altersrentnern in die gesetzliche Krankenversicherung. vorübergehende Wahl einer Teilrente (hier: drei Monate). beitragsfreie Familienversicherung beim Ehepartner. vorausschauende Betrachtungsweise der Einkommensverhältnisse
Orientierungssatz
1. Dem privat krankenversicherten Bezieher einer Altersrente, dessen Ehepartner Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist, ist es nach der geltenden Rechtslage nicht grundsätzlich verwehrt, durch vorübergehende Wahl einer Teilrente nach § 42 SGB 6 die beitragsfreie Familienversicherung über den Ehepartner zu erreichen, mit der Folge, dass bei späterer Rückkehr zur Vollrente die obligatorische freiwillige Versicherung nach § 188 Abs 4 SGB 5 eintritt.
2. Zum Grundsatz der vorausschauenden Betrachtungsweise und dem Vorliegen eines regelmäßigen Einkommens bei Bezug einer Teilrente für einen Zeitraum von drei Monaten im Rahmen der Berechnung des Gesamteinkommens für das Bestehen einer Familienversicherung iSd § 10 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB 5.
Leitsatz (amtlich)
1. Dem privat krankenversicherten Bezieher einer Altersrente, dessen Ehepartner Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist, ist es nach der geltenden Rechtslage nicht grundsätzlich verwehrt, durch vorübergehende Wahl einer Teilrente nach § 42 SGB VI die beitragsfreie Familienversicherung über den Ehepartner zu erreichen, mit der Folge, dass bei späterer Rückkehr zur Vollrente die obligatorische freiwillige Versicherung nach § 188 Abs 4 SGB V eintritt.
2. Zum Grundsatz der vorausschauenden Betrachtungsweise und dem Vorliegen eines regelmäßigen Einkommens bei Bezug einer Teilrente für einen Zeitraum von drei Monaten im Rahmen der Berechnung des Gesamteinkommens für das Bestehen einer Familienversicherung iSd § 10 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V .
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 20.04.2023 sowie der Bescheid vom 01.12.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.02.2023 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Kläger zu 1) in der Zeit vom 01.02.2022 bis 30.04.2022 in der Familienversicherung und ab 01.05.2022 in der obligatorischen Anschlussversicherung freiwillig versichert ist.
Die Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger zu 1) seit dem 01.02.2022 bei der Beklagten über seine Ehefrau, die Klägerin zu 2), in der gesetzlichen Krankenversicherung familienversichert war und infolgedessen ab dem 01.05.2022 aufgrund der ab dann bezogenen höheren Rente freiwillig krankenversichert ist.
Der 1945 geborene Kläger zu 1) steht im Altersrentenbezug. Zum 31.12.2021 übergab er seine Werbeagentur an D1 und meldete sein Gewerbe ab (Gewerbeabmeldung vom 28.12.2021). Er ist seit dem 22.05.1968 mit der Klägerin zu 2) verheiratet. Die Klägerin zu 2) ist seit dem 01.02.2022 bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Der Kläger zu 1) war bis zum 31.01.2022 bei der G1 privat krankenversichert.
Laut Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 23.12.2021 wurde die bisherige Regelaltersrente des Klägers zu 1) ab dem 01.02.2022 neu berechnet. Ab dem 01.02.2022 werde die „gewählte Teilrente“ gezahlt in Höhe von monatlich 458,16 € zuzüglich eines Zuschusses zum Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 36,43 €, insgesamt 494,59 €.
Am 11.01.2022 beantragte der Kläger zu 1) die Feststellung der Familienversicherung über seine Ehefrau ab dem 01.02.2022. Als einziges Einkommen wurde die gesetzliche Rente in Höhe von 458,16 € angegeben. Außerdem legten die Kläger den Einkommenssteuerbescheid des Finanzamts G2 vom 23.10.2020 für das Jahr 2019 vor. Daraus ergab sich, dass der Kläger zu 1) über einen Jahresbetrag der Rente in Höhe von 10.901,00 € verfügte.
Unter dem 31.03.2022 übersandte die Beklagte dem Kläger zu 1) eine „Bescheinigung“, die beinhaltete, dass er seit dem 01.02.2022 im Rahmen der Familienversicherung (§ 10 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)) bei der Beklagten versichert sei. Außerdem erinnerte die Beklagte den Kläger zu 1) mit weiterem Schreiben vom 31.03.2022, in dem sie ausführte, dass der Kläger zu 1) seit dem 01.02.2022 über seine Ehefrau familienversichert sei, an die Vorlage einer Bescheinigung über das Versicherungsende bei seiner bisherigen privaten Krankenversicherung.
Seit dem 01.05.2022 bezieht der Kläger zu 1) wieder eine Altersrente in Höhe von 954,50 €.
Mit Schreiben vom 24.10.2022 hörte die Beklagte die Klägerin zu 2) zur beabsichtigten Stornierung der Familienversicherung des Klägers zu 1) rückwirkend zum 01.02.2022 an.
Hiergegen legte die Klägerin zu 2) am 27.10.2022 Widerspruch ein.
Mit an die Klägerin zu 2) gerichtetem Bescheid vom 01.12.2022 stornierte die Beklagte die Familienversicherung des Klägers zu 1) rückwirkend zum 01.02.2022. Zur Begründung führte sie aus, Voraussetzung für den Anspruch ...