Entscheidungsstichwort (Thema)
Verrechnung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung mit Ansprüchen auf laufende Geldleistungen. Bestimmtheit einer Verrechnung
Orientierungssatz
1. Zur Verrechnung von rückständigen Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen.
2. Das Bestimmtheitserfordernis eines Verwaltungsaktes bezieht sich auf den Verfügungssatz und nicht auf dessen Begründung.
3. Der zur Herbeiführung der Rechtswirkung der Aufrechnung bzw der Verrechnung gerichtete Wille muss für einen objektiven Dritten klar erkennbar sein (vgl BSG vom 24.7.2003 - B 4 RA 60/02 R = SozR 4-1200 § 52 Nr 1).
4. Die Verrechnung muss daher zumindest Angaben über die Höhe, den Rechtsgrund, ggf die Bezugszeiten, die Fälligkeit der Forderungen sowie Angaben zu deren bestands- oder rechtskräftiger Feststellung und zum Beendigungszeitpunkt enthalten.
5. Bei Forderungsmehrheit muss überdies angegeben werden, in welcher Reihenfolge die Forderungen verrechnet werden sollen (vgl LSG Berlin-Potsdam vom 22.11.2012 - L 22 R 471/11 = juris RdNr 46).
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 09. Januar 2013 geändert sowie der Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheid vom 09. Januar 2012 sowie der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 25. Juli 2013 erklärten Abänderung aufgehoben.
Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Verrechnung von Beitragsforderungen der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft Hannover (BauBG) mit seiner Altersrente.
Der 1947 geborene Kläger steht ab 01. August 2010 bei der Beklagten im Bezug einer Altersrente.
Die BauBG war zunächst mit Schreiben vom 27. Mai 1998 an den Verband deutscher Rentenversicherungsträger herangetreten und hatte den zuständigen Rentenversicherungsträger zur Verrechnung mit einmaligen und laufenden Geldleistungen unter Hinweis auf eine damals in Höhe von 49.311,51 DM bestehende Beitragsschuld ermächtigt. Die BauBG hatte der Beklagten gegenüber unter dem 17. Mai 2010 die Restforderung einschließlich Kosten und aufgelaufener Zinsen zum 30. April 2010 mit 61.663,50 € und die monatlich hinzukommenden Zinsen mit 252,58 € angegeben.
Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 16. August 2010 zur beabsichtigten Verrechnung von Forderungen der BauBG in Höhe von “derzeit 61.663,50 € (gegebenenfalls zuzüglich weiterer Zinsen, Säumniszuschläge)„ mit seiner Rente an; es seien von der laufenden Rente 545,40 € monatlich und von einer Rentennachzahlung 15,00 € einzubehalten. Der Kläger machte mit Schreiben vom 08. September 2010 Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen, verwies auf die Pfändungsfreigrenze und legte einen an seine Ehefrau gerichteten Bescheid über die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) vor. Die Beklagte forderte beim Kläger mit Schreiben vom 13. September 2010 eine Sozialhilfebedürftigkeitsbescheinigung an, woraufhin er mit Anwaltsschreiben vom 04. Oktober 2010 auf die Unpfändbarkeit der Rentenzahlungen verwies.
Mit Schreiben vom 09. November 2010 schlüsselte die BauBG auf Bitten der Beklagten einen nunmehr mit 25.299,98 € angegebenen Beitragsgesamtanspruch wie folgt auf:
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“Restbeitrag 1996 vom 24.04.1997 Fälligkeit: 15.05.1997 Forderungsbetrag: |
13.030,61 EUR |
Beitrag 1997 vom 09.04.1998 Fälligkeit: 15.05.1998 Forderungsbetrag: |
9.393,95 EUR |
Säumniszuschläge 1996 vom 24.04.1997 Fälligkeit: 15.05.1997 Forderungsbetrag: |
513,34 EUR |
Säumniszuschläge 1997 vom 09.04.1998 Fälligkeit: 15.05.1998 Forderungsbetrag: |
1.914,28 EUR |
Vollstreckungskosten: |
447,80 EUR |
Gesamt: |
25.299,98 EUR |
Die bezeichneten Forderungsbescheide haben Bestandskraft erlangt.„ |
Die Beklagte erließ gegenüber dem Kläger den Bescheid vom 30. Juni 2011, in welchem sie ausführte: “die Deutsche Rentenversicherung Bund ist von der Bau-Berufsgenossenschaft Hannover mit Schreiben vom 27.05.1998 nach § 52 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) ermächtigt worden, die von Ihnen geschuldeten Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung von 61.633,50 EUR (gegebenenfalls zuzüglich weiterer Zinsen, Säumniszuschläge) gegen die Ihnen zuerkannte laufende Geldleistung (Rente) zu verrechnen… Gegen Ihre Rente werden monatlich 545,40 EUR sowie von der Rentennachzahlung 15,- EUR aufgerechnet beziehungsweise verrechnet.„
Der Kläger erhob unter Beibehaltung seines bisherigen Vorbringens am 15. Juli 2011 Widerspruch, welchen die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09. Januar 2012 zurückwies.
Der Kläger hat sein Begehren mit der am 12. Januar 2012 zum Sozialgericht Berlin erhobenen Klage weiterverfolgt. Nachdem der Kläger eine Bescheinigung des sozialhilferechtlichen Bedarfs zur Feststellung der Pfändungsfreigrenze vom 28. August 2012, welche ein bedarfsübersteigendes Einkommen von 307,16 € ausweist, vorgele...