Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunfts- und Heizkosten. selbst genutzte Eigentumswohnung. Vermögensberücksichtigung. Verwertung. Darlehen. Tilgung. Prüfung der Anmietbarkeit. Angemessenheitsgrenze für Einpersonenhaushalt anhand Berliner Mietspiegel 2009. Wohnflächengrenze. Bruttokaltmiete. Durchschnittswerte der Betriebskosten
Leitsatz (amtlich)
1. Eine selbst genutzte 68,90 m² große Eigentumswohnung ist bei einem Alleinstehenden kein nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2 geschützter Vermögensgegenstand und muss grundsätzlich verwertet werden.
2. Für die Frage der Kosten iS des § 22 Abs 1 SGB 2, zu welchem Preis eine angemessene Wohnung einschließlich der Heizkosten anmietbar wäre, ist in Berlin der Berliner Mietspiegel zu Grunde zu legen.
Orientierungssatz
1. Ist einem Hilfebedürftigen die sofortige Verwertung der Eigentumswohnung zum "wahren" Wert nicht möglich, steht ihm die Erstattung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung gem § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 als Darlehen iS des § 23 Abs 5 S 1 SGB 2 zu.
2. Kommt der Hilfebedürftige seiner Vermögensverwertungspflicht nach und unternimmt er alles, die Wohnung zu einem angemessenen Wert zu veräußern, scheidet eine etwaige Tilgung nach § 23 Abs 1 S 3 SGB 2 bei fortwährendem Leistungsbezug aus. Stellt sich heraus, dass der überschießende Betrag zu gering ist, muss der Grundsicherungsträger die Darlehensrückzahlungsschuld nach § 44 SGB 2 erlassen.
Tenor
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. März 2009 wird aufgehoben.
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 9. Mai 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2008 verpflichtet, dem Kläger weitere Kosten für Unterkunft und Heizung für Juni 2008 in Höhe von 143,74 Euro sowie für Juli bis einschließlich November 2008 monatlich 143,67 Euro als Darlehen zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger ¾ der ihm entstandenen außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Im Streit zwischen den Beteiligten ist die Höhe des dem Kläger für den Zeitraum 1. Juni 2008 bis 30. November 2008 zustehenden Anspruches auf Leistungen für Unterkunft und Heizung.
Der im Jahr 1951 geborene Kläger bezieht seit dem 1. Januar 2005 Arbeitslosengeld II. Er bewohnt seit über 15 Jahren eine selbst genutzte Eigentumswohnung, für welche der Beklagte bis einschließlich Mai 2008 einen Betrag in Höhe von 586,82 Euro als Kosten der Unterkunft und Heizung übernahm. Die Zweizimmerwohnung hat eine Wohnfläche von 68,90 m². Das Wohnhaus hat eine zentrale Heizung, welche mit Öl betrieben wird. Die gesamte Fläche des Hauses mit insgesamt 16 Wohnungen umfasst 960 m². Für den Kauf hatte der Kläger einschließlich Makler und Gebühren 160.034,00 Euro aufgebracht.
Für das Jahr 2007 musste der Kläger 422,76 Euro im Jahr für das Heizen aufwenden (35,23 Euro monatlich), im Jahr 2008 433,81 Euro (36,15 Euro monatlich). Der Kläger musste im streitgegenständlichen Zeitraum monatlich 336,10 Euro für Zinsen, 235,00 Euro Hausgeld sowie 23,91 Euro Grundsteuer, insgesamt also 595,08 Euro für das Wohnen aufbringen.
Mit Schreiben vom 23. Mai 2007 forderte der Beklagte den Kläger zur Absenkung der Kosten der Unterkunft auf. Dies könne beispielsweise durch Untervermietung oder Verhandlung über eine reduzierte Miete erfolgen. Dem Kläger stehe es außerdem frei, sich um neuen angemessenen Wohnraum zu bemühen.
Der Kläger antwortete, er wohne in einer selbst genutzten Eigentumswohnung. Aufgrund der Ausgestaltung der Wohnung könne er nicht untervermieten. Seine Heiz- und Kaltwasserkosten habe er bereits reduziert. Eine weitere Reduzierung der Wohnungskosten sei ihm nicht möglich. Sollten die Kosten in Zukunft nicht mehr bezahlt werden, drohe der Verkauf. Aufgrund dieses Schreibens führte der Beklagte mit dem Kläger am 13. Juli 2007 ein persönliches Gespräch. Darin wurde ihm mitgeteilt, dass das Schreiben vom 23. Mai 2007 zurückgenommen werde (unstreitiger Vortrag des Klägers).
Der Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 6. November 2007 erneut zur Absenkung der Kosten auf. Er erklärte sich bereit, die tatsächlichen Kosten solange zu übernehmen, so lange ein Wohnungswechsel oder eine Kostensenkung auf andere Weise nicht möglich sei, längstens 6 Monate nach Zugang dieses Schreibens. Am 8. November 2007 antwortete der Kläger per E-Mail an die Beklagte, dass - wie bereits bekannt - eine Verringerung der Wohnungskosten nicht möglich und ein Verkauf der Wohnung nicht gefordert werden könne.
Der Kläger verfügte im streitgegenständlichen Zeitraum nicht über Einnahmen oder sofort verwertbares Vermögen. Er unternahm in den Jahren 2007 und 2008 keinen Versuch, seine Eigentumswohnung zu verkaufen. Der Schätzwert der Wohnung liegt bei ca. 100.000,00 Euro.
Der Kläger tilgte auf die entsprechende Schuld bisher 81.812,00 Euro (Stand September 2008). Weiter nahm er Zahlungen in Höhe von 10.225,00 Euro für Einbauten und iso...