Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Ausschlussfrist der rückwirkenden Leistungsgewährung von vier Jahren. Leistungszeiträume. Vierjahreszeitraum. Sonderrechtsnachfolger. Überprüfungsantrag. Abtretung. Pflegegeld. Pflegezulage. Schwerstbeschädigtenzulage. MdE. Verhinderung. Antragstellung. Verschulden. Höhere Leistung. Verjährung. Verschlimmerungsantrag. Kriegsopferversorgung. Beschädigtenversorgung. Begrenzung der rückwirkenden Leistungsgewährung auf vier Jahre. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Beratungspflicht. Sonderrechtsnachfolge
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Beschädigte kann ohne sein Verschulden an der Antragstellung verhindert sein, wenn seine Handlungsfähigkeit infolge eines Schlaganfalls beeinträchtigt ist.
2) § 44 Abs. 4 SGB X enthält den allgemeinen Rechtsgedanken, dass Sozialleistungen rückwirkend längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren erbracht werden. Diese zeitliche Begrenzung gilt auch im Zusammenhang mit einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch.
Orientierungssatz
1. Der Senat entnimmt - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung einzelner Senate des BSG (vgl BSG vom 27.3.2007 - B 13 R 58/06 R) - § 44 Abs 4 SGB 10 den allgemeinen Rechtsgedanken, dass Sozialleistungen nicht über vier Jahre hinaus rückwirkend zu gewähren sind.
2. Der Senat folgt der Rechtsprechung des 9. und 13. Senats des BSG, nach der dann, wenn aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs Leistungen zu erbringen sind, diese längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht werden (BSG vom 27.3.2007 - B 13 R 58/06 R und BSG vom 14.2.2001 - B 9 V 9/00 R = BSGE 87, 280 = SozR 3-1200 § 14 Nr 31).
3. Zur Beratungspflicht des Sozialleistungsträgers gemäß § 14 SGB 1 (hier: Angabe im Zusammenhang mit dem Antrag auf Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises, dass nach erfolgter Feststellungen nach dem HHG/BVG, mehrere Infarkte hinzugekommen seien).
4. Durch das Zehnte Gesetz über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (KOVAnpG 10) vom 10.8.1978 (BGBl I 1978, 1217), in Kraft getreten am 1.1.1979, wurden der Vorschrift des § 60 Abs 1 S 1 BVG die Sätze 2 und 3 angefügt. Nach der Rechtsprechung des BSG findet § 60 BVG in der neuen Fassung immer dann Anwendung, wenn ein Antrag nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gestellt wird, auch wenn er sich auf zurückliegende Schadensfälle bezieht (vgl BSG vom 10.12.2003 - B 9 VJ 2/02 R = BSGE 92, 34 = SozR 4-3100 § 60 Nr 1).
5. Der Senat folgt der Rechtsprechung des BSG (BSG vom 29.11.1984 - 5b RJ 56/84 = SozR 1300 § 44 Nr 15), nach der Rechtsnachfolger des Versicherten Korrekturen der diesem bindend bewilligten Rente auch nach dessen Tod fordern können.
Normenkette
SGB I § 16 Abs. 2, § 53; SGB X § 44 Abs. 1, 4, § 45 Abs. 1, § 48 Abs. 4; BVG § 31 Abs. 5, §§ 35, 60 Abs. 1-2; ZGHG § 1 Abs. 3, § 2 Abs. 3; BGB §§ 195, 1357 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Auf die Klage wird der Bescheid des Beklagten vom 14. Februar 2007 in der Fassung des Zusatzbescheides vom 16. März 2007 geändert.
Der Beklagte wird - zum Teil auf Grund seines Anerkenntnisses vom 7. Juni 2007 - verurteilt, der Klägerin auch für die Zeit vom 1. Januar 1982 bis zum 31. Dezember 1985 Beschädigtenrente nach einer MdE von 100, einen vollen Ehegattenzuschlag und die halbe Ausgleichsrente sowie für die Zeit vom 1. Januar 1982 bis zum 31. Dezember 1987 Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe III, Pflegezulage nach Stufe II und einen Pauschbetrag für Kleidermehrverschleiß nach der Bewertungszahl 53 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin und dem vom 5. Mai 1998 bis 29. August 2006 Beigeladenen deren notwendige außergerichtliche Kosten einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens B 9 VH 1/99 R und des Beschwerdeverfahrens B 9 VH 1/03 B zur Hälfte zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, nachdem der Senat durch rechtskräftiges Teilurteil vom 29. August 2006 festgestellt hat, dass die bei dem 1987 verstorbenen Versorgungsberechtigten S L (L) diagnostizierten arteriosklerotischen Gefäßveränderungen Schädigungsfolgen im Sinne des Häftlingshilfegesetzes (HHG) sind, noch eine höhere Beschädigtenversorgung für die Zeit von Januar 1973 bis Dezember 1985 im Neufeststellungsverfahren sowie der Leistungszeitraum der zu gewährenden Ausgleichsrente, des Ehegattenzuschlages, der Pflegezulage und der Kleiderpauschale sowie die Höhe der Schwerstbeschädigtenzulage.
Auf Antrag des L erkannte das Versorgungsamt K mit Bescheid vom 8. Januar 1957 einen “Nährstoffmangel nach langjähriger Inhaftierung„ als Schädigungsfolge mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 v.H. an. Einen Verschlimmerungsantrag vom 14. Dezember 1960, den L mit einem am 28. September 1960 erlittenen Herzinfarkt begründete, lehnte das Versorgungsamt Köln mit ...