Entscheidungsstichwort (Thema)
Begrenzung des berücksichtigungsfähigen Entgelts für einen Staatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft der DDR bei Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr 19 Anl 1 AAÜG. Beschäftigung oder Tätigkeit des Leiters der Abteilung Kader und Schulung "als Staatsanwalt". Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Eine Beschäftigung oder Tätigkeit "als Staatsanwalt" der Generalstaatsanwaltschaft der DDR iS des § 6 Abs 2 Nr 7 AAÜG übten nicht nur diejenigen Amtsträger aus, die mit der Durchführung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren, der Anklageerhebung oder der Sitzungsvertretung in Hauptverhandlungen betraut waren, sondern auch solche Staatsanwälte, die sonstige generalstaatsanwaltliche, dh in den Verantwortungskreis dieser Behörde fallende Aufgaben wahrgenommen haben.
Orientierungssatz
§ 6 Abs 2 Nr 7 AAÜG ist verfassungsgemäß.
Normenkette
AAÜG § 6 Abs. 2 Nrn. 4, 6-7, 9, § 6 a.F. Abs. 2, 3 Nr. 7, § 8 Abs. 2, 3 Sätze 1-2; SGB X § 44 Abs. 1-2; StA-G DDR 1977 § 38 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1; DDR-Verf Art. 97 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 17. Oktober 2018 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens, ob beim Kläger im Zeitraum vom 1. Januar 1978 bis zum 17. März 1990 die tatbestandlichen Voraussetzungen einer niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze nach § 6 Abs. 2 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) vorlagen.
Der 1930 geborene Kläger wurde in der ehemaligen DDR mit Wirkung vom 1. September 1957 zum Staatsanwalt ernannt. Er arbeitete zunächst als Staatsanwalt des Kreises B (September 1957 bis September 1966), wurde sodann zur Parteihochschule delegiert (September 1966 bis August 1967) und war schließlich vom 15. August 1967 bis Anfang Oktober 1990 bei der Generalstaatsanwaltschaft der DDR tätig.
Mit Beginn seiner Tätigkeit bei der Generalstaatsanwaltschaft wurde der Kläger zunächst in die dortige Abteilung Wissenschaftliche Kriminalitätsforschung versetzt. Anschließend, nämlich ab September 1973, war er Leiter der Abteilung Kader / Schulung bzw. Kader / Bildung. Die Abberufung des Klägers als Staatsanwalt erfolgte mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 wegen der ersatzlosen Auflösung der Dienststelle des Generalstaatsanwalts der DDR.
Bereits mit Wirkung vom 9. Februar 1971 war der Kläger in die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparats aufgenommen worden.
Mit Überführungsbescheid vom 1. März 1994 stellte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme (Rechtsvorgängerin der Beklagten; im Folgenden vereinfachend: Beklagte) die Zeiten vom 1. September 1957 bis zum 30. Mai 1990 als nachgewiesene Zeiten der Zugehörigkeit zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparats fest. Außerdem stellte sie für u. a. den hier streitbefangenen Zeitraum die auf die Werte der Anlage 5 zum AAÜG begrenzten Arbeitsentgelte fest. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 1994 zurück.
Von Juli 1994 bis September 2009 führte der Kläger ein Klageverfahren, zunächst vor dem Sozialgericht Potsdam und - nachdem ein entsprechender Verweisungsbeschluss ergangen war - später vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) (Aktenzeichen zuletzt: S 9 R 78/06). Er machte dort geltend, dass die Begrenzungsregelung des § 6 Abs. 2 AAÜG gegen das Grundgesetz (GG) verstoße.
Während des Klageverfahrens erließ die Beklagte weitere Bescheide: Mit Bescheid vom 13. Mai 1997 stellte sie die Daten nach dem AAÜG unter Hinweis auf das zum 1. Januar 1997 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG-ÄndG) vom 11. November 1996 (BGBl. I, S. 1674) für Leistungszeiträume ab dem 1. Januar 1997 neu fest. Sie nahm in diesem Bescheid eine Begrenzung der Arbeitsentgelte auf die Werte der Anlage 5 zum AAÜG nur noch für den Zeitraum vom 1. Januar 1978 bis zum 17. März 1990 vor. Mit „Ergänzungsbescheid“ vom 28. Februar 2002 erweiterte sie die Feststellungen im Bescheid vom 13. Mai 1997 auf Leistungszeiträume ab dem 1. Juli 1993, wobei sie zur Begründung auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1999 (1 BvL 22/95 und 1 BvL 34/95) sowie auf das Zweite Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2. AAÜG-ÄndG) vom 27. Juli 2001 (BGBl. I, S. 1939) verwies.
Nach einer weiteren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 23. Juni 2004 - 1 BvL 3/98, 1 BvL 9/02 und 1 BvL 2/03) und einer weiteren, hierdurch veranlassten Neufassung des § 6 Abs. 2 AAÜG durch das Erste Gesetz zur Änderung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (1. AAÜG-Ä...