Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung
Orientierungssatz
1. Die Ermittlung der Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung erfordert eine Einzelfallprüfung. Diese hat für Unterkunftskosten und Heizkosten getrennt zu erfolgen.
2. Die angemessene Referenzmiete hat grundsätzlich auf der Grundlage eines qualifizierten Mietspiegels zu erfolgen.
3. Neben der Nettokaltmiete sind auch die angemessenen Betriebskosten i. S. des § 556 BGB, mit Ausnahme der Heizkosten, abstrakt zu bestimmen.
4. Bei Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels mit entsprechend wissenschaftlich gesicherten Feststellungen zum Wohnungsbestand kann davon ausgegangen werden, dass es eine Wohnung zu dem nach dem Mietspiegel angemessenen Quadratmeterpreis gibt.
5. Von unangemessen hohen Heizkosten ist auszugehen, wenn bestimmte Grenzwerte überschritten werden. Das Überschreiten des Grenzwertes führt zu einem Anscheinsbeweis zu Lasten des Leistungsberechtigten dahin, dass von unangemessen hohen Kosten auszugehen ist. Lässt sich nicht feststellen, dass im Einzelfall höhere Aufwendungen gleichwohl angemessen sind, so treffen den Antragsteller die Folgen i. S. der materiellen Beweislast (BSG Urteil vom 12. 6. 2013, B 14 AS 60/12 R).
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 2014 geändert.
Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 26. Januar 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 3. Mai 2011 und des Bescheides vom 29. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2011 verurteilt, der Klägerin weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 18. Dezember 2010 bis 31. Dezember 2010 von 87,98 Euro und für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 31. März 2011 von 204,93 Euro monatlich, mithin insgesamt von 702,77 Euro zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu 46 v. H. zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 204,93 Euro monatlich für die Zeit vom 18. Dezember 2010 bis 31. Juli 2011.
Die im März 1962 geborene Klägerin und S D schlossen mit der Grundstücksgemeinschaft Gstraße am 28. November 1990 einen Mietvertrag über eine Wohnung in der Gstraße in B mit einer Wohnfläche von 72,13 qm in einem Gebäude mit beheizbarer Grundfläche von 1.668 qm, die mittels Heizöls beheizt wird und die zur Aufbereitung des Warmwassers mit einem Durchlauferhitzer ausgestattet ist. Der Mietvertrag sieht eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten vor, wenn seit Überlassung des Wohnraums zehn Jahre vergangen sind
Mit Schreiben vom 23. März 2004 erklärten die Klägerin und S D gegenüber der Grundstücksgemeinschaft Gstraße, dass S D ab dem 1. April 2004 aus dem Mietvertrag entlassen werde und ab diesem Zeitpunkt von allen Rechten und Pflichten, die ab diesem Zeitpunkt entstünden, enthoben sei.
Mit Bescheid vom 17. September 2008 hatte der Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. März 2009 bis 31. August 2009 in Höhe von 946,35 Euro monatlich, dabei 595,35 Euro für Unterkunft und Heizung, bewilligt.
Nachdem der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 27. August 2009 mitgeteilt hatte, dass ab dem 1. September 2009 als Kosten der Unterkunft inklusive Heiz- und Betriebskosten nur noch 378 Euro als angemessen berücksichtigt würden, hatte er der Klägerin zunächst mit Bescheid vom 15. September 2009 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 28. Februar 2009 in Höhe von 697 Euro monatlich, dabei 378 Euro für Unterkunft und Heizung, gewährt. Auf den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem vorgebracht worden war, die Klägerin sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, eine andere Wohnung zu suchen, hatte er mit den beiden Bescheiden vom 12. November 2009 die Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2010 unter Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 595,35 Euro monatlich festgesetzt.
Mit Schreiben vom 12. November 2009 teilte der Beklagte der Klägerin mit, er sei angehalten, die Höhe der Mietkosten daraufhin zu überprüfen, ob sie angemessen seien. Als abstrakte Richtgröße für angemessene Bruttowarmmieten (inklusive Heizungskosten) gälten bei einem Einpersonenhaushalt 378 Euro. Es wurde darauf hingewiesen, dass Maßnahmen zur Senkung der Wohnungskosten (allerdings) in der Regel bei Vorliegen von - in diesem Schreiben im Einzelnen genannten - Sachverhalten nicht verlangt würden. Im Übrigen könnten die Richtwerte in besonderen Einzelfällen insbesondere bei einer längeren Wohndauer (mindestens 15 Jahre) um bis zu 10 Prozent überschritten werden. Die Klägerin erhielt Gelegenheit, sich dazu unter Beifügung gegebenenfalls entsprechender Nachweise zu äußern.
Die Klägerin machte daraufhin e...