Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Nachweis der ordnungsgemäßen Bevollmächtigung für das sozialgerichtliche Klageverfahren. Vorlage der Kopie des Originals der Vollmacht und Übersendung der Vollmacht per Telefax statt Vorlage der Originalvollmacht. Gewährung rechtlichen Gehörs. Zurückverweisung des Rechtsstreits an die erste Instanz
Orientierungssatz
1. Die Vorschrift des § 73 Abs. 2 S. 1 SGG (i.d. Fassung vom 01.12.2006) setzt nicht voraus, dass die Prozessvollmacht im Original zu den Gerichtsakten gelangt. Vielmehr kommt es alleine auf die wirksame Bevollmächtigung zur Führung des Klageverfahrens an, die nachgewiesen sein muss.
2. Eine in den Verwaltungsakten befindliche Vollmacht genügt den Anforderungen des § 73 Abs. 2 SGG, wenn diese Vollmacht ihrem Inhalt nach zweifelsfrei das nachfolgende gerichtliche Verfahren mit umfasst und der Bevollmächtigte sich dem Gericht gegenüber ausdrücklich darauf beruft (vgl. BSG, Urteil vom 13.12.2000 - B 6 KA 29/00).
3. Die Vorlage der Vollmacht per Telefax und der Kopie des Originals der Vollmacht genügen den Anforderungen des § 73 Abs. 2 SGG.
4. Weist das Gericht den Kläger vor Erlass seiner Entscheidung und nach Übersendung einer Vollmachtskopie nicht auf den Gesichtspunkt hin, dass nur das Original der Vollmacht den Anforderungen genüge, nicht hingegen die Vorlage der Kopie des Originals und stützt es seine Entscheidung auf diesen rechtlich erheblichen Gesichtspunkt, verletzt es seine Aufklärungspflicht und damit den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör, § 62 SGG sowie zudem seine aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens folgende Fürsorgepflicht, Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 19 Abs. 4 GG.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 12. Juni 2007 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird an das Sozialgericht Berlin zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger ab dem 1. Juli 2003 sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist und - vorab - ob die Klage zulässig ist.
Die Lebensgefährtin des Klägers, Frau H B, betreibt seit dem 1. Dezember 2002 eine Handelsvertretung für elektronische Geräte aller Art. Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 8. August 2003 (dort eingegangen am 26. August 2003) meldete sie den Kläger ab dem 1. Juli 2003 zur Sozialversicherung an und teilte gleichzeitig mit, der Kläger sei ab diesem Zeitpunkt als Vertriebsgehilfe mit einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von 401,00 € und einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden beschäftigt. Durch Bescheid vom 4. November 2003 stellte die Beklagte fest, dass für die Tätigkeit des Klägers ab dem 1. Juli 2003 keine Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bestehe, da nach den Gesamtumständen davon auszugehen sei, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht begründet worden sei. Mit per Telefax übermitteltem Schreiben vom 5. Dezember 2003 legte die Prozessbevollmächtigte des Klägers hiergegen Widerspruch ein. Dem Schreiben war eine auf einem Vordruck erteilte, auf den 5. Dezember 2003 datierte und vom Kläger unterschriebene Vollmacht für die Prozessbevollmächtigte beigefügt, welche auszugsweise wie folgt formuliert war:
Der Widerspruch wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2004 als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben und diese umfassend begründet. Durch gerichtliche Verfügung vom 2. Juni 2005 hat das Gericht der Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, dass eine schriftliche Vollmacht des Klägers bislang nicht zu den Gerichtsakten gereicht worden sei und die Klage wegen dieses Mangels als unzulässig abgewiesen werden könne. Gleichzeitig wurde der Prozessbevollmächtigten eine Frist bis zum 26. Juni 2005 gesetzt und Gelegenheit gegeben, “die Vollmacht im Original„ nachzureichen. Am 24. Juni 2005 übersandte die Prozessbevollmächtigte des Klägers per Telefax eine Vollmacht des Klägers vom 15. Juni 2005. Das Original dieses Schriftsatzes und eine Kopie der Vollmacht vom 15. Juni 2005 gingen bei Gericht am 28. Juni 2005 ein.
Mit gerichtlicher Verfügung vom 23. August 2005 teilte das Gericht den Beteiligten mit, es erwäge, die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid abzuweisen. Gleichzeitig setzte es dem Kläger eine Frist zur Stellungnahme von zwei Wochen. Durch Gerichtsbescheid vom 12. Juni 2007 wies das Sozialgericht die Klage als unzulässig ab und führte zur Begründung aus, die vorgelegte Kopie einer Originalvollmacht genüge den gesetzlichen Anforderungen an den Nachweis einer Bevollmächtigung nicht, vielmehr sei die Vorlage des Originals erforderlich. Denn es sei ansonsten nicht hinreichend gewährleistet, dass es sich um eine Vollmacht zur Klageerhebung gegen den angefochtenen Bescheid handle. Die Vorlage einer Faxkopi...