nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. Wirtschaftsprüfer. Steuerberater. Duldungspflicht. Verfassungsrecht. Europarecht. Gerichtsbescheid. Zwangsvollstreckung. Zwangsgeld. Erledigung des Verwaltungsakts. Anwesenheit in der mündlichen Verhandlung. Meldepflicht
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Arbeitgeber hat die Duchführung von Betriebsprüfungen gem. § 28p SGB IV zu dulden und dabei Auskünfte zu erteilen sowie Unterlagen vorzulegen.
2. Die Durchführung von Betriebsprüfungen verstößt nicht gegen Verfassungs- und Europarecht.
3. Die Pflicht zur Duldung der Betriebsprüfung, Erteilung von Auskünften und Vorlage von Unterlagen kann mittels Verwaltungsakt festgesetzt und im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchgesetzt werden.
4. Ist die mit der Androhung von Zwangsgeld verbundene Frist zur Vornahme einer geschuldeten Handlung abgelaufen, ohne, dass die Handlung durchgeführt oder Zwangsgeld festgesetzt wurde, hat sich die durch Verwaltungsakt festgesetzte Zwangsgeldandrohung erledigt. Ein gegen die Zwangsgeldandrohung erhobener Widerspruch bzw. eine Anfechtungsklage sind dann mangels Beschwer unzulässig.
5. Zur Beurteilung der Voraussetzungen des § 105 SGG (Entscheidung durch Gerichtsbescheid) ist nicht die subjektive Sicht der Beteiligten, sondern die objektiv gebotene Sach- und Rechtslage maßgeblich.
6. Bleibt der Kläger trotz ordnungsgemäßer Terminsbenachrichtigung der mündlichen Verhandlung fern, muss er die sich hieraus für ihn ergebenden nachteiligen Rechtsfolgen tragen.
Normenkette
SGB IV § 28p Abs. 1, 5, § 76 Abs. 1; SGG § 105; SGB X § 66; VwVG §§ 6, 11, 13
Verfahrensgang
SG Berlin (Entscheidung vom 23.01.2002; Aktenzeichen S 85 KR 1989/01) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. Januar 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Tatbestand:
Der Kläger ist als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater freiberuflich tätig (Betriebsnummer: 91899303).
Nachdem er es in den Jahren 1998 bis 2001 mehrfach abgelehnt hatte, bei sich als Arbeitgeber eine Betriebsprüfung nach § 28 p des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) durchführen zu lassen, kündigte ihm die Beklagte mit ihrem Bescheid vom 19. Februar 2001 erneut die Durchführung einer solchen Betriebsprüfung für den 2. April 2001 an und wies darauf hin, dass er verpflichtet sei, diese Prüfung zu dulden. Ferner teilte sie ihm mit, dass er verpflichtet sei, im Rahmen der Prüfung die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Unterlagen vorzulegen. Für den Fall, dass er den vorgenannten Verpflichtungen nicht vollständig nachkommen sollte, drohte sie ihm darüber hinaus nach § 13 Abs. 1 des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes (VwVG) ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,- DM an.
Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger im Wesentlichen geltend: Der Bescheid sei rechtswidrig, weil Betriebsprüfungen nach § 28 p SGB IV analog zum Steuerrecht schlechterdings gegen Verfassungs- und Europarecht verstießen. Verfassungsrecht sei verletzt, weil angesichts der wirtschaftlichen Sinnlosigkeit derartiger Prüfungen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt sei und die Arbeitgeber nicht gleichmäßig mit Betriebsprüfungen überzogen würden. Gegen Europarecht werde verstoßen, weil sich durch die Betriebsprüfungen nach deutschem Recht Wettbewerbsbeeinträchtigungen gegenüber Angehörigen anderer EU-Staaten ergäben, in denen Betriebsprüfungen nicht oder wesentlich moderater durchgeführt würden. Durch das Festhalten an den Betriebsprüfungen nach deutschem Recht werde zudem das Ziel der EU-Länder, eine gemeinsame Wirtschafts- und Sozialpolitik zu betreiben, unterlaufen. Davon abgesehen dränge sich in seinem Einzelfall aber auch der Eindruck auf, dass es sich bei der angekündigten Betriebsprüfung um eine reine Schikane handeln solle. Denn es dürfe insoweit nicht übersehen werden, dass sich bei Betriebsprüfungen der von ihm betreuten Mandanten noch nie Beanstandungen ergeben hätten und er seit Ende Oktober 2000 überhaupt kein Personal mehr beschäftige.
Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit ihrem Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2001 zurück und führte aus: Die Durchführung von Betriebsprüfungen finde in § 28 p Abs. 1 SGB IV ihre Rechtsgrundlage. Sie diene der Erfüllung der Aufgabe des § 76 Abs. 1 SGB IV, wonach die den Sozialversicherungsträgern zustehenden Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben seien. Durch die Betriebsprüfungen solle nicht zuletzt zum Schutz der Arbeitnehmer die zutreffende Beitragszahlung kontrolliert und die Gleichbehandlung der Arbeitgeber sichergestellt werden, was weder gegen das nationale Verfassungsrecht noch gegen Europarecht verstoße. Dass Betriebsprüfungen bei der vom Kläger betreuten Mandantschaft nicht zu Beanstandungen geführt hätten, mache die Prüfung nach den eindeutigen gesetzlichen Vorgaben in seinem eigen...