Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Versäumung der Berufungsfrist. Berufungseinlegung per Mail-to-Fax-Verfahren. fehlende Unterschrift. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Versäumung der Jahresfrist. keine Hinweispflicht des Gerichts auf fehlende Schriftform
Orientierungssatz
1. Dem Schriftformerfordernis des § 151 Abs 1 SGG entspricht in aller Regel nur die eigenhändige Unterschrift des Berechtigten. Zwar kann auch die Einlegung der Berufung durch Telefax zulässig sein, jedoch muss das Telefax dann grundsätzlich ein Schriftstück mit der Unterschrift des Berechtigten wiedergeben. Auch bei (direkter) elektronischer Übertragung einer Textdatei auf ein Telefaxgerät des Gerichts bedarf es zumindest der Übertragung einer eingescannten Unterschrift des Berechtigten (vgl GmSOGB vom 5.4.2000 - GmS-OGB 1/98 = BGHZ 144, 160 = SozR 3-1750 § 130 Nr 1).
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumte Berufungsfrist kann, wenn seit dem Ende der versäumten Frist gem § 67 Abs 3 SGG mehr als ein Jahr vergangen ist, auch dann nicht mehr gewährt werden, wenn das Gericht den Kläger nicht unverzüglich auf den Mangel der Form hingewiesen hat.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Dezember 2008 wird verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte der Klägerin im Wege der Grundsicherung für Arbeitsuchende einen Umzug nach B. zu finanzieren hat. Ein entsprechender Antrag aus dem September 2005, Widerspruch und Klage der Klägerin hatten keinen Erfolg; mit Urteil vom 2. Dezember 2008, der Klägerin zugestellt am 8. Mai 2009, hat das Sozialgericht Hamburg die laut in der mündlichen Verhandlung gestelltem Antrag auf Bewilligung von “Leistungen für einen Umzug nach B.„ gerichtete Klage abgewiesen.
Am 11. Mai 2009 um 17.53 h ging bei Gericht ein elektronisches Telefax von “A.„ ein, abgesandt von dem Gerät mit der Nummer X., in welchem unter der postalischen Absenderangabe der Klägerin Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts eingelegt wird (Eingangsstempel des Landessozialgerichts vom 12.5.2009). Eine eigenhändige Unterschrift trägt dieser Text nicht, auch nicht in eingescannter oder sonst bildlicher Form.
Um 18.47 h desselben Tages ging ein weiteres gleichlautendes elektronisches Fax beim Landessozialgericht ein (“Noch einmal weil in der Empfängeradresse dummerweise was falsch war...„), diesmal mit dem Absendervermerk “From: kostenlose Faxsendung von “www.x.de„ sowie den Überschriften “ www.y.de„ und www.T.de„ sowie der Betreffbezeichnung “From: (u.@a.de)„ und dem Zusatz: “Dieses kostenlose Fax schickt Ihnen www.G.de auf Wunsch von S. (Email: X.mailto:u@.de, eindeutige Absenderadresse: X.)„. Auch dieser Text gibt keine Unterschrift der Klägerin wieder.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr die Fahrtkosten B. zu zahlen, damit sie ein konkretes Wohnungsangebot vorlegen könne, und dann die Beklagte zu verpflichten, die Umzugszustimmung nach § 22 SGB II zu geben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung in der Sache.
Der Senat hat die Klägerin aufgefordert, durch Schilderung der tatsächlichen Abläufe detailliert zum Zustandekommen der über “A„ übermittelten Berufungsschrift, zur zugrundeliegenden Vertragsbeziehung mit der Firma A. und zu deren tatsächlicher Handhabung bei Nutzung des Faxdienstes in diesem und in anderen Verfahren vorzutragen. Sie hat daraufhin ihre Praxis verteidigt und darauf hingewiesen, dass diese bisher vom Gericht akzeptiert worden sei. Sie nutze A. “wo ich auch selbst Faxnummer kostenlos und Mailadresse habe für Faxe„. Da sie kein Fax zu Hause habe, sei es für sie einfacher, den Text zu schreiben und bei A. “einzufügen„ und das zu versenden. Außerdem hat die Klägerin am 5. November 2010 ein eigenhändig unterschriebenes Schriftstück vorgelegt, in dem es heißt: “... hiermit unterzeichne ich den Berufungsantrag handschriftlich, der Ihnen über das Internetfax zugegangen ist„.
II. Der Senat entscheidet nach § 158 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch die Berufung verwerfenden Beschluss. Nach § 158 Satz 1 SGG ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt worden ist. Hier fehlt es an einer rechtzeitig in der erforderlichen Form eingereichten Berufung.
Nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Dem Erfordernis schriftlicher Form entspricht in aller Regel nur die eigenhändige Unterschrift des Berechtigten. Zwar kann auch die Einlegung der Berufung durch Telefa...