Entscheidungsstichwort (Thema)
Angemessenheit der Unterkunft im Sinn von § 22 Abs. 1 SGB 2
Leitsatz (amtlich)
Die Fachlichen Vorgaben in Hamburg, wonach junge, allein stehende Menschen bei Erstbezug einer Wohnung vorrangig zunächst auf möblierte Zimmer, Untermiete und Wohngemeinschaften verwiesen werden sollen, sind als solche zu pauschal und undifferenziert.
Orientierungssatz
1. Solange die nach § 27 Nr. 1 SGB 2 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit zu erlassende Rechtsverordnung nicht ergangen ist, ist zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit der Unterkunftskosten auf die zum früheren Sozialhilferecht entwickelten Rechtsgrundsätze zurückzugreifen.
2. Verwaltungsinterne Beurteilungsrichtlinien des Grundsicherungsträgers, wonach junge alleinstehende Menschen zunächst auf möbliertes Zimmer, Untermiete oder Wohngemeinschaft zu verweisen sind, sind zu pauschal und undifferenziert.
3. Der Hilfeempfänger ist grundsätzlich nicht auf ein Wohnen in einer Wohngemeinschaft verweisbar. Auch die dauerhafte Unterbringung in einem Wohnheim ist unzumutbar.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen der Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 7. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe
Die am 12. Juli 2005 durch die Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg (SG) vom 7. Juli 2005 eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen und die es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat (§ 174 Sozialgerichtsgesetz -SGG), ist statthaft und zulässig (§§ 172, 173 SGG).
Sie ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Beschwerdeführerin zu Recht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Zustimmung zur Anmietung einer Wohnung sowie - darlehnsweise - die hierfür anfallende Kaution in erforderlicher Höhe zu bewilligen. Die Auffassung des SG, dass die Kosten der vom Antragsteller angemieteten Wohnung in der S.-Reye angemessen sind, ist nicht zu beanstanden.
Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.
Zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffes der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist mangels näherer Anhaltspunkte im SGB II auf die zum früheren Sozialhilferecht entwickelten Rechtsgrundsätze zurückzugreifen.
Eine - nach § 27 Nr. 1 SGB II zulässige - Konkretisierung des Begriffes der Angemessenheit der Unterkunftskosten durch eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit ist bislang nicht erfolgt. Die in § 3 SGB II normierten Leistungsgrundsätze können zur Konkretisierung ebenfalls nicht herangezogen werden, da sie sich - mit Ausnahme des dritten Absatzes - nicht auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen; § 3 Abs. 3 SGB II bestimmt lediglich pauschal, dass Leistungen nur erbracht werden dürfen, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann.
Nach dem für die frühere Sozialhilfe maßgeblichen Recht und der hierzu ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bestimmte sich die Angemessenheit der Unterkunftskosten nach dem Bedarf des Hilfebedürftigen. Hierfür kam es auf die Besonderheiten des Einzelfalls an (§ 3 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO a.F.), vor allem auf die Person des Hilfebedürftigen, die Art seines Bedarfs und die örtlichen Verhältnisse (§ 3 Abs. 1 BSHG a.F.). Ausgehend hiervon waren bei der Beurteilung der Angemessenheit der Mietaufwendungen für eine in Aussicht genommene oder bereits bewohnte Wohnung die örtlichen Verhältnisse insoweit zunächst maßgeblich, als auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfebedürftigen marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen und auf dieser Grundlage die sozialhilferechtlich maßgebliche Mietpreisspanne zu ermitteln war (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. August 2004, 5 C 8/04 = NJW 2005, 310 m.w.N.). Die Angemessenheitsprüfung musste sich - neben der Bestimmung des Kostenaufwands, der für die Unterkunft an sich (abstrakt) angemessen wäre - auch auf die Frage erstrecken, ob dem Hilfeempfänger im Bedarfszeitraum eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich war (BVerwG a.a.O.).
Ausgehend von diesen, grundsätzlich auf das nach dem SGB II maßgebliche Recht übertragbaren Grundsätzen wäre die vom Antragsteller angemietete Wohnung sowohl nach ihrer Gesamtwohnfläche (30,29 Quadratmeter) als auch nach ihrer Bruttokaltmiete (257,99 Euro) dem Grunde nach angemessen, da sie die von der Beschwerdeführerin zugrunde gelegten Grenzwerte von 45 Quadratmetern (bzw. von 41 Quadratmetern bei Neuanmietung) und von 318.- Euro deutlich unterschreitet. Dies ist auch zu recht unstrittig.
Die danach grundsätzlich zu bejahende Angemessenheit der Unterkunftskos...