Entscheidungsstichwort (Thema)

Erledigung des Rechtstreits bei rechtswirksamer Klagerücknahme - Protokollierung

 

Orientierungssatz

1. Nach § 102 Abs. 1 SGG kann die Klage bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zurückgenommen werden.

2. Ist bei der Protokollierung der erklärten Klagerücknahme nach § 160 Abs. 3 Nr. 8 ZPO allein verfahrensfehlerhaft, dass deren Verlesung unterblieben ist, so ist dies unschädlich. Es steht ausreichend fest, dass die Rücknahme der Klage erklärt worden ist (BSG Urteil vom 12. 3. 1981, 11 RA 52/80).

3. Ist die Klage wirksam zurückgenommen worden, so bewirkt dies nach § 102 Abs. 1 S. 2 SGG die Erledigung des Rechtstreits in der Hauptsache.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten in einem Verfahren um die Höhe von Arbeitslosengeld (Alg) darum, ob dieses durch Klagerücknahme beendet wurde, oder ob es fortzusetzen ist. Die Klägerin beantragte am 30. November 2017 Alg zum 1. Januar 2018. Zuvor war die Klägerin vom 27. Februar 2017 bis zum 31. Dezember 2017 21 Stunden wöchentlich als Trainerin beim N. beschäftigt gewesen. Vor und auch neben dieser Beschäftigung war die Klägerin als Fitnesstrainerin und Übungsleiterin selbständig tätig und entrichtete Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nach § 28a Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Die unterhalb von 15 Stunden wöchentlich liegende selbständige Tätigkeit führte die Klägerin auch über den 1. Januar 2018 hinaus fort. Mit Bescheid vom 19. Januar 2018 rechnete die Beklagte vorläufig Nebeneinkommen an und bewilligte mit weiterem Bescheid selben Datums entsprechend Alg nach einem gekürzten Leistungssatz für Januar. Der Widerspruch der Klägerin, mit welchem diese einen höheren Freibetrag geltend machte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2018). Die hiergegen gerichtete Klage nahm die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung nach einem Hinweis des Gerichts ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 28. August 2019 zurück. In der Sitzungsniederschrift heißt es insoweit: "Entsprechend dem mitgeteilten Ergebnis der Zwischenberatung und auf dringendes Anraten der Kammer erklärt die Klägerin: Ich nehme meine Klage zurück - Laut diktiert und genehmigt, auf erneutes Abspielen wird allseits verzichtet - " Mit Schreiben vom 29. August 2019, Eingang bei Gericht am 2. September 2019, beantragte die Klägerin die Wiederaufnahme des Verfahrens. Sie habe zwar auf die Frage, ob sie die Klage zurücknehmen wolle mit "Ja" geantwortet, nachdem sie eine Nacht darüber geschlafen habe, sei sie aber der Meinung, diese Entscheidung unüberlegt getroffen zu haben und wolle sie zurückziehen. Ihr sei gesagt worden, die Beklagte habe bei einer früheren Arbeitslosigkeit Nebeneinkommen fehlerhaft nicht angerechnet. Es könne nicht sein, dass die Beklagte Fehler mache und ohne Folgen davonkomme und sie als Einzelperson nun geradestehen müsse. Sie fühle sich als Selbständige als Arbeitslose zweiter Klasse. Das Gesetz, aufgrund dessen sie aus einer früheren Arbeitslosigkeit noch 2.000 EUR Schulden bei der Beklagten habe, gehöre geändert. Sie wünsche, dass der Rückerstattungsbetrag nochmals angesehen werde, ob er korrekt sei. Mit Gerichtsbescheid vom 8. Januar 2020 hat das Sozialgericht festgestellt, dass die Klage zurückgenommen wurde. Dies sei in der mündlichen Verhandlung wirksam erfolgt. Der Rechtsstreit sei damit erledigt. Als Prozesshandlung sei die Klagrücknahme nicht wegen etwaiger Willensmängel anfechtbar. Ein Widerruf wegen Vorliegens von Restitutionsgründen komme nicht in Betracht. Die Klägerin hat gegen den am 11. Januar 2020 zugestellten Gerichtsbescheid am 5. Februar 2020 Berufung eingelegt, mit welcher sie vorträgt, ihre Meinung habe sich nicht geändert. Sie habe verschiedene Fragen, die sie beantwortet haben wolle. Was mache eine freiwillige Arbeitslosenversicherung für einen Sinn, wenn sie erst den vollen Anspruch habe, wenn alle Tätigkeiten entfielen? Das sei Betrug gegenüber allen Selbständigen. Die gesetzlichen Regelungen seien verbesserungsbedürftig. Auch habe die Beklagte Fehler gemacht, für welche sie nicht zur Verantwortung gezogen werde. Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 8. Januar 2020 aufzuheben und festzustellen, dass das Verfahren S 14 AL 93/18 nicht durch Klagrücknahme beendet ist. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie ist der Auffassung, es habe eine Reihe Änderungs- und Erstattungsbescheide gegeben, die Gegenstand des Verfahrens S 14 AL 93/18 geworden seien. Diese seien mit der Klagrücknahme bestandskräftig geworden. Ein Anspruch auf erneute Überprüfung im Klagverfahren bestehe nicht. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, die Grundlage der Entscheidung gewesen sind.

 

Ents...

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