Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. selbst genutzte Eigentumswohnung. Darlehensfinanzierung. spätere Aufnahme eines zusätzlichen Privatdarlehens. Nichtberücksichtigung der Zinsrate für das Privatdarlehen als Unterkunftskosten
Orientierungssatz
Zinsraten für ein - neben dem Finanzierungsdarlehen für eine selbst genutzte Eigentumswohnung - zu einem späteren Zeitpunkt zusätzlich aufgenommenes Privatdarlehen können nicht als Unterkunftsbedarf im Sinne des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 berücksichtigt werden, wenn das Privatdarlehen weder dem Erwerb noch dem Erhalt der Unterkunft, sondern der Finanzierung der Tilgungsraten des ursprünglichen Immobiliendarlehens dient.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Jahr 2016 nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die im Jahr 1956 geborene und erwerbsfähige Klägerin ist seit dem Jahr 1999 arbeitslos. Sie bezieht seit dem Jahr 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes von dem Beklagten. Sie erzielte im Jahr 2016 kein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit.
Die Klägerin erwarb am 27. Mai 1997 einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück und das Sondernutzungsrecht für eine damals noch zu errichtende 57,95m² große Eigentumswohnung in der B. in H.- E. zu einem Kaufpreis vom 373.000,00 DM (= 190.711,87 Euro). Sie wurde am 7. Januar 1998 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Zum Erwerb der Eigentumswohnung schloss die Klägerin mit der V. (später und im Folgenden: „H1“) am 17. Juni 1997 einen Darlehensvertrag über ein Darlehen in Höhe von 415.000,00 DM (= 212.186,13 Euro). Das Darlehen wurde zugunsten der Bank mit einer Grundschuld im Grundbuch abgesichert. Das Darlehen war anfangs mit einer monatlichen Annuitätenrate von 2.400,00 DM (= 1.207,22 Euro) zurückzuzahlen. Seit dem Jahr 2013 beträgt die Annuität 13.200 Euro im Jahr, sodass die monatliche Rate stets 1.100 Euro beträgt. Im Jahr 2016 setzte sich die Annuität aus Zins und Tilgung folgendermaßen zusammen:
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Zahlungstermin |
Tilgung |
Zins |
31.1.2016 |
849,52 |
250,48 |
29.2.2016 |
851,93 |
248,07 |
31.3.2016 |
854,34 |
245,66 |
30.4.2016 |
856,76 |
243,24 |
31.5.2016 |
859,19 |
240,81 |
30.6.2016 |
861,62 |
238,38 |
31.7.2016 |
864,06 |
235,94 |
31.8.2016 |
866,51 |
233,49 |
30.9.2016 |
868,97 |
231,03 |
31.10.2016 |
871,43 |
228,57 |
30.11.2016 |
873,90 |
226,10 |
31.12.2016 |
876,37 |
223,63 |
Die Klägerin vermietete die Eigentumswohnung nach deren Errichtung.
Ab dem Jahr 2002 gewährte Herr G. der Klägerin ein monatlich zweckgebundenes und anfangs unverzinstes Darlehen, um damit die Annuitätenraten gegenüber der H1 zu begleichen. Zur Absicherung der Rückzahlungsansprüche bestellte die Klägerin am 22. März 2005 zugunsten von Herrn G. eine Grundschuld an ihrem Miteigentumsanteil in Höhe von 150.000 Euro, die im Grundbuch eingetragen wurde. Im März 2005 trat die Klägerin die Einnahmen aus der Vermietung an Herrn G. ab.
Im dritten Quartal 2011 bezog die Klägerin die Eigentumswohnung selbst. Der Beklagte berücksichtigte in den Bewilligungsentscheidungen die von der Klägerin an die H1 zu entrichtenden Zinsen.
Am 15. Oktober 2015 schlossen Herr G. und die Klägerin eine vertragliche Vereinbarung, nach der das bisher zinslos gewährte Darlehen in Höhe der seit dem Jahr 2002 aufgelaufenen Kapitalschuld ab dem 1. Juni 2016 monatlich zu verzinsen war. Der vereinbarte Zinssatz sollte variabel sein, angelehnt an den Zins für Guthaben auf einem bei der D. geführten Online-Kartenkonto der L., und betrug im Jahr 2016 stets 0,8 % p.a.
Die Kapitalschuld gegenüber der H1 belief sich zum 31. Dezember 2015 auf 88.404,79 Euro, die Kapitalschuld gegenüber dem Darlehensgeber G. auf 170.731,58 Euro. Die Zinsen für das Jahr 2016 wegen des privaten Darlehens beliefen sich auf insgesamt 1.403,89 Euro. Die Klägerin leistete an Herrn G. im Jahr 2016 Zahlungen in Höhe der an die H1 zu entrichtenden Zinszahlungen.
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Fälligkeitstermin |
Tilgung durch die Klägerin |
Anfallende Zinsverpflichtung |
Januar 2016 |
250,48 |
113,82 |
Februar 2016 |
248,07 |
114,39 |
März 2016 |
245,66 |
114,96 |
April 2016 |
243,24 |
115,52 |
Mai 2016 |
240,81 |
116,10 |
Juni 2016 |
238,38 |
116,67 |
Juli 2016 |
235,94 |
117,24 |
August 2016 |
233,49 |
117,82 |
September 2016 |
231,03 |
118,40 |
Oktober 2016 |
228,57 |
118,98 |
November 2016 |
226,10 |
119,56 |
Dezember 2016 |
223,63 |
120,14 |
Das monatliche Hausgeld der Klägerin betrug im Jahr 2016 anfangs monatlich 229,00 Euro, ab Oktober 2016 monatlich 257,00 Euro. Im Hausgeld für 2016 enthalten war ein Anteil für Heizkosten in Höhe von 1.047,64 Euro. Ferner wurde zum 15. Februar 2016, 15. Mai 2016, 15. August 2016 und 15. November 2016 Grundsteuer in Höhe von jeweils 86,00 Euro fällig.
Mit Bescheid vom 17. November 2015 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 29. November 2015 (mit dem die Erhöhung des Regelbedarfs zum 1. Januar 2016 berücksichtigt wurde) bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalt...