Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe in anderen Lebenslagen. Übernahme von Bestattungskosten. Unzumutbarkeit der Kostentragung. enge Verwandtschaft. schwere Verfehlungen des Verstorbenen
Leitsatz (amtlich)
Besteht ein rechtliches Näheverhältnis in Form enger Verwandtschaft, so kommt eine Unzumutbarkeit der Tragung der Beerdigungskosten iS von § 74 SGB 12 allein aufgrund der näheren Umstände der persönlichen Beziehung zwischen Pflichtigem und Verstorbenem, dh unabhängig von den finanziellen Verhältnissen des Pflichtigen, nur dann in Betracht, wenn diese Umstände der persönlichen Beziehung so schwer wiegen, dass die rechtliche Nähebeziehung dahinter vollständig zurücktritt. Das setzt voraus, dass ein schweres vorwerfbares Fehlverhalten des Verstorbenen gegenüber dem Pflichtigen vorliegt.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Übernahme eines Teils der Kosten für die Bestattung ihrer Mutter aus Sozialhilfemitteln.
Die 1956 geborene Klägerin ist die nichteheliche Tochter der 1927 geborenen und am ... 2009 verstorbenen Frau I.S.. Die Verstorbene war durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 4. Oktober 1962 wegen Geistesschwäche entmündigt worden; später bestand für sie eine gesetzliche Betreuung. Seit 2001 befand die Verstorbene sich in stationärer Pflege im Psychiatrischen Zentrum für Rehabilitation und Pflege in R.. Neben der Klägerin hatte die Verstorbene ein weiteres Kind, den 1959 geborenen P.S., für den ebenfalls eine gesetzliche Betreuung bestand.
Die Klägerin sprach am 9. Dezember 2009 persönlich bei der Beklagten vor und beantragte die Übernahme der Kosten für die Bestattung ihrer Mutter aufgrund einer persönlichen Härte. Sie legte einen Lebenslauf sowie den Entmündigungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 4. Oktober 1962 vor und gab an, sie sei direkt nach ihrer Geburt in ein Heim gekommen und bis zu ihrem 15. Lebensjahr in Heimen groß geworden. Sie habe keine soziale Bindung zu ihrer Mutter aufgebaut und keinerlei Kontakt zu ihr. Ihre finanziellen Verhältnisse wollte die Klägerin nicht offenlegen.
Mit Bescheid vom 9. Dezember 2009 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Übernahme der Bestattungskosten ab. Auch nach den dargebrachten Erläuterungen und den eingereichten Unterlagen könne dem Antrag nicht aus Härtegesichtspunkten stattgegeben werden. Eine Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse sei angeboten, von der Klägerin aber abgelehnt worden.
Ebenfalls am 9. Dezember 2009 beantragte die gesetzliche Betreuerin von Herrn P.S. bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für die Bestattung der Verstorbenen und fügte Unterlagen zum Nachweis der Mittellosigkeit des Herrn S. bei. Die Beklagte teilte mit Bescheid vom gleichen Tag mit, sie werde Herrn S. Anteil (d.h. die Hälfte) der Bestattungskosten übernehmen, wenn die Rechnung vorliege. Die Kosten müssten im sozialhilferechtlichen Rahmen liegen und der vorhandene Nachlass sei zuvor abzuziehen.
Die Klägerin und die Betreuerin von Herrn S. erteilten daraufhin dem G. Bestattungsinstitut den Auftrag zur Bestattung. Das G. führte die Bestattung durch und stellte der Klägerin hierfür 3.322,20 Euro in Rechnung, außerdem 77,73 Euro für einen Kissenstein. Hiervon wurden 1.532,47 Euro aus dem Vermögen der Verstorbenen von deren Betreuerin gezahlt. Von dem Rest übernahm die Beklagte nach Kürzung auf den für sozialhilferechtlich angemessen erachteten Betrag als hälftigen Anteil des Herrn P.S. 440,45 Euro. Die Klägerin zahlte insgesamt 1.431,02 Euro (inklusive 4,- Euro Mahngebühren) an das G..
Mit Schreiben vom 30. Dezember 2009 erhob die Klägerin Widerspruch gegen die Ablehnung der Kostenübernahme. Sie wies erneut darauf hin, dass infolge ihrer Heimaufenthalte keinerlei Bindung zu ihrer Mutter habe entstehen können.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2010 zurück. Die Klägerin sei als Tochter der Verstorbenen nach § 10 Abs. 1 Satz 3, § 22 Abs. 4 Satz 1 lit b Hamburgisches Bestattungsgesetz (HmbBestattG) verpflichtet, für die Bestattung zu sorgen. Der Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten durch die Beklagte aus persönlichen Härtegründen sei zu Recht abgelehnt worden. Ein Anspruch auf Kostenübernahme bestehe nach § 74 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), soweit es dem zur Bestattung Verpflichteten nicht zugemutet werden könne, die Kosten zu tragen. Das Kriterium der Zumutbarkeit beziehe sich in erster Linie auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Kostentragung. Eine Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin sei aber nicht möglich gewesen, da sie eine Offenlegung ihrer finanziellen Verhältnisse abgelehnt habe. Die von der Klägerin vorgetragenen Gründe rechtfertigten es nicht, sie von der Kostentragung zulasten des Sozialhilfeträgers freizustellen. Das Fehlen einer Bindung zwischen Mutter und Tochter führe nicht zur Unzumutbarkeit der Übernahme der Bestattungskosten. Die Vers...