Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Wirtschaftlichkeitsprüfung. Honorarberichtigung. rechtmäßiger Ansatz der Leistungen nach Nrn 01100 und 01102 EBM-Ä 2008. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Es liegt keine unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes bzw einer ermächtigten ärztlich geleiteten Einrichtung durch Patienten iS von Nr 01100 EBM-Ä 2008 vor, wenn diese das vorgehaltene Angebot der Einrichtung annehmen, sich dort zu Zeiten behandeln zu lassen, die ansonsten üblicherweise sprechstundenfrei sind (vgl BSG vom 29.11.2007 - B 6 KA 52/07 B).

2. Die in der Gebührenordnungsposition Nr 01100 EBM-Ä 2008 enthaltenen Regelungen, bei denen es sich um untergesetzliche Rechtsnormen in der Form der Normsetzungsverträge handelt (vgl BSG vom 12.12.2012 - B 6 KA 3/12 R = SozR 4-2500 § 75 Nr 13), verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht.

3. Für eine Inanspruchnahme des Vertragsarztes, die zwar am Samstagvormittag, aber - wie hier - innerhalb der im Einzelfall angebotenen Dienstzeiten stattfindet, ist die Nr 01102 EBM-Ä 2008 abzurechnen (vgl BSG vom 29.11.2007 - B 6 KA 52/07 B aaO).

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 15. Februar 2012 abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 25. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2010 wird aufgehoben, soweit darin 22-mal Leistungen nach der Nr. 01102 EBM-Ä 2008 von der Abrechnung ausgenommen wurden. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Klägerin trägt ¾ und die Beklagte ¼ der Kosten des gesamten Verfahrens. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Gegenstand des Verfahrens ist eine Honorarberichtigung für das Quartal I/2009, wobei über die Abrechnung der Nummern 01100 (unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten) und 01102 (Inanspruchnahme an Samstagvormittagen) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen, Stand 1. Quartal 2009 (EBM-Ä 2008, im Folgenden: EBM), gestritten wird.

Die Klägerin ist Trägerin des Katholischen M.-Krankenhauses in H ... Dieses war auf ihren Antrag hin unter anderem in dem streitigen Quartal ermächtigt, in seiner Geburtshilflich-Gynäkologischen Klinik als ärztlich geleiteter Einrichtung für die an sprechstundenfreien Tagen unbedingt notwendige Überwachung von Schwangeren mit Terminüberschreitung auf Überweisung durch Gynäkologen an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der Beklagten teilzunehmen. Das Krankenhaus ist außerdem zur Teilnahme an der Not- und Unfallversorgung zugelassen.

Im Rahmen der Honorarabrechnung für von der Klägerin im Rahmen dieser Ermächtigung erbrachte Leistungen im Quartal I/2009 führte die Beklagte eine Berichtigung durch und nahm dabei mit Bescheid vom 25. August 2009 unter anderem in 32 Fällen Leistungen nach Nummer 01100 EBM und in 22 Fällen Leistungen nach Nummer 01102 EBM von der Honorarabrechnung aus. Die Berichtigung war bereits im bestandskräftigen Honorarbescheid für das betreffende Quartal berücksichtigt worden.

Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 16. September 2010 zurück und führte aus, die Ermächtigung ziele im Wesentlichen auf Behandlungen in den Zeiträumen, die in den Leistungslegenden der Nummern 01100 und 01102 EBM angegeben seien und die deshalb für die Klägerin nicht unvorhergesehen seien. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Gleichbehandlung von gleichartigen Notfallbehandlungen im organisierten Notfalldienst und durch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte und Krankenhäuser sei hier nicht einschlägig, denn gleichartige Leistungen lägen hier schon nicht vor.

Mit ihrer dagegen am 1. Oktober 2010 erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, auch bei Schwangeren sei nicht vorhersehbar, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit sie ärztliche Hilfe benötigten. Ein wesentlicher Unterschied zu der Situation, dass nicht vorhergesagt werden könne, welcher Patient wann den organisierten Notfalldienst in Anspruch nehmen müsse, sei daher nicht erkennbar. Mit der Ungleichbehandlung dieser Sachverhalte habe der Bewertungsausschuss seinen Gestaltungsspielraum erheblich überschritten und seine Bewertungskompetenz missbräuchlich ausgeübt. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung liege auch nicht in der Ermächtigung der Klägerin; diese bewirke vielmehr, dass sie im Bereich der Ermächtigung wie ein Vertragsarzt zu behandeln sei. Es könne schließlich auch nicht argumentiert werden, dass die Klägerin ohnehin Personal vorhalte, welches in Zeiten, in denen kein Notfall versorgt werden müsse, anderweitig einsetzbar sei. Dem stehe schon die sehr hohe Notfallfrequenz in der Metropolregion H. entgegen, die dazu führe, dass gerade für die Notfallbehandlung mehr Personal vorgehalten werden müsse.

Die Beklagte hat entgegnet, mit der Nummer 01100 EBM werde allein die Inanspruchnahme des Vertragsarztes "zur Unzeit" abgegolten, soweit dieser nicht in den aufgeführten Zeiträumen Sprechstunde habe oder am ...

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