Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der selbständigen Tätigkeit von der abhängigen Beschäftigung ist von Letzterer auszugehen, wenn eine persönliche Abhängigkeit von einem Arbeitgeber, eine Eingliederung in dessen Betrieb und eine Weisungsgebundenheit vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte und die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft gekennzeichnet, vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 - B 12 KR 10/01 R.

2. Solange der Fremd-Geschäftsführer einer GmbH nicht in der Lage ist, eine ihm nicht genehme unternehmerische Mehrheitsentscheidung der Gesellschafterversammlung abzuwenden, ist von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Hieran ändert eine zu seinen Gunsten vorgenommene widerrufliche Stimmrechtsübertragung seitens der übrigen Gesellschafter nichts.

3. Die Annahme eines unternehmerischen Risikos setzt voraus, dass der Ertrag des Arbeitseinsatzes ungewiss bleibt. Davon ist nicht auszugehen, wenn dem Geschäftsführer als Gegenleistung für seine Tätigkeit ein festes monatliches Entgelt zur Verfügung steht, welches ihm unabhängig vom wirtschaftlichen Betriebsergebnis gezahlt wird.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 16. April 2012 abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit sie die Versicherungspflicht des Klägers im Zeitraum vom 1. Oktober 2009 bis zum 4. Januar 2012 betrifft.

Eine Kostenerstattung findet in beiden Rechtszügen nicht statt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung der Beklagten, er sei ab dem 1. Oktober 2009 als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 4 versicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung.

Die Beigeladene zu 4 vertreibt, vermietet und betreut Wasserspender. Sie wurde am 3. August 2000 in der Rechtsform einer GmbH gegründet, seinerzeit noch unter einer anderen Firma. Am 2. März 2001 wurde sie in die jetzige Firma umbenannt. Das Stammkapital betrug 25.000 EUR. Gesellschafter waren anfangs die Eltern des Klägers mit einem Geschäftsanteil von jeweils 40 Prozent und der Kläger mit einem Anteil von 20 Prozent. Nach § 6 des Gesellschaftsvertrags, auf den vollumfänglich Bezug genommen wird, konnten durch Gesellschafterbeschluss jederzeit bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen, insbesondere die Vornahme von bestimmten Rechtsgeschäften und -handlungen, von der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung abhängig gemacht werden. Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 und 2 des Gesellschaftsvertrags wurde innerhalb der Gesellschafterversammlung nach Geschäftsanteilen abgestimmt; von bestimmten Grundgeschäften abgesehen reichte die einfache Stimmenmehrheit aus. Mit Gesellschafterbeschluss vom 13. Dezember 2008 wurden die Stimmrechte der Eltern des Klägers in der Gesellschafterversammlung "bis auf Weiteres" vollständig auf diesen übertragen. Die folgenden Gesellschafterbeschlüsse wurden vom Kläger allein gefasst, am Gesellschafterbeschluss vom 29. September 2009 wirkten die Eltern allerdings wieder mit. Nachdem kurzzeitig der Vater des Klägers alleiniger Geschäftsführer der Beigeladenen zu 4 gewesen war, war zunächst seine Mutter alleinige Geschäftsführerin (Registereintragung vom 20. Juli 20010). Seit dem 1. Oktober 2009 ist der Kläger Geschäftsführer der Beigeladenen zu 4, zunächst als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer neben seiner Mutter (Registereintrag vom 2. Oktober 2009). Grundlage seine Bestellung ist der Vertrag vom 29. September 2009, auf den vollumfänglich Bezug genommen wird.

Der Kläger war vor dem 1. Oktober 2009 bei der Beklagten als abhängig Beschäftigter der Beigeladenen zu 4 krankenversichert gewesen. Am 20. Oktober 2009 beantragte er die freiwillige Weiterversicherung. Die Beklagte prüfte daraufhin als Einzugsstelle die Versicherungspflicht des Klägers in allen Zweigen der Sozialversicherung. Seit dem 1. November 2009 ist der Kläger bei der Beigeladenen zu 3 krankenversichert, die ihn bislang als freiwilliges Mitglied führt; sie behält sich eine Anpassung nach Abschluss dieses Rechtsstreits vor.

Nachdem sie die Clearingstelle der Beigeladenen zu 1 beteiligt hatte, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Juni 2010 die Versicherungspflicht des Klägers in allen Zweigen der Sozialversicherung fest. Der Kläger könne weder aufgrund seines Stimmanteils noch aufgrund von Sonderrechten maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Beigeladenen zu 4 ausüben. Zudem sei er bei der Ausübung seiner Ressortaufgaben an die Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden.

Zur Begründung seines Widerspruchs brachte der Kläger vor, aufgrund der Stimmrechtsübertragung besitze er 100 Prozent der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung und sei daher in der Lage, maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft zu neh...

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