Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung
Leitsatz (amtlich)
Zur Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung i. S. des § 114 ZPO i.V.m. § 73a SGG hier bejaht. Eine verständige nicht bedürftige Partei würde ein eigenes Kostenrisiko, das ca. das Zehnfache der Hauptforderung hier 25,71 ) ausmacht, nicht ohne weiteres eingehen.
Orientierungssatz
In Verfahren vor den Sozialgerichten, bei denen Gerichtskosten nicht erhoben werden, ist ausschließliches Ziel des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Beiordnung eines Rechtsanwaltes (vgl LSG Darmstadt vom 15.7.2008 - L 9 B 39/08 SO = SAR 2008, 110). Die Erhebung einer Untätigkeitsklage zur Beschleunigung einer geltend gemachten Forderung in Höhe von 25,71 Euro mit Beauftragung eines Rechtsanwaltes ist unverhältnismäßig, wenn ein Kostenrisiko im Raum steht, das ca das Zehnfache der Hauptforderung ausmacht.
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stralsund vom 15. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Kläger beziehen Leistungen der Grundsicherung nach dem SGBII.
Mit Bescheid vom 29. Februar 2008 lehnte die Beklagte die Übernahme einer Nachzahlung für Wasser- und Abwasserkosten in Höhe von 25,71 aus Mitteln der Grundsicherung ab.
Die Kläger erhoben hiergegen am 19. März 2008 Widerspruch.
Am 23. Juni 2008 haben die Kläger Untätigkeitsklage erhoben und um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts Sch nachgesucht. Die Beklagte habe innerhalb der Dreimonatsfrist des § 88 Abs. 2 SGG, welche am 18. Juni 2008 abgelaufen sei, bislang weder über den Widerspruch entschieden noch sich sonst - über eine Eingangsbestätigung hinaus - gemeldet.
Mit Abhilfebescheid vom 08. August 2008 hat die Beklagte die Kosten "über die Angemessenheit hinaus" übernommen. Die Beteiligten haben daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
Durch Beschluss vom 15. Oktober 2008 hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und zur Begründung unter anderem ausgeführt:
Nach § 73 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhalte eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Auf Antrag werde der Partei nach § 121 Abs. 2 ZPO ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheine oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten sei.
Die Kammer habe deshalb den Antrag auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts Sch abgelehnt, weil die Erhebung der Untätigkeitsklage ohne vorherige Nachfrage bei der Beklagten zum Grund der Verzögerung mutwillig gewesen sei.
Eine Rechtsverfolgung sei nämlich mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde. Dies sei hier der Fall, denn die Kammer sei der Auffassung, dass eine nicht hilfsbedürftige Partei bei der vorliegenden Fallgestaltung keinesfalls eine Untätigkeitsklage anhängig gemacht hätte, ohne zuvor der Beklagten die Erhebung einer Untätigkeitsklage unter ausreichender Fristsetzung in Aussicht zu stellen, d.h. anzudrohen. Andernfalls müsste sie nämlich - ebenso wie die Kläger - damit rechnen, dass die Beklagte allenfalls zur Erstattung der hälftigen notwendigen außergerichtlichen Kosten verpflichtet sei. Da nach Auffassung der Kammer keine verständige Partei ein solches Kostenrisiko eingehen würde, und die Kläger nach Auffassung der Kammer hier ersichtlich eine Untätigkeitsklage in dem Glauben eines fehlenden Kostenrisikos mutwillig erhoben haben, sei die Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten nicht in Betracht gekommen.
Zwischenzeitlich habe auch der 10. Senat des LSG M-V mit Senatsbeschluss vom 9. September 2008 (L 10 B 147/08) in Bestätigung eines ebenfalls ablehnenden PKH-Beschlusses der erkennenden Kammer ausgeführt, dass die Gewährung von Prozesskostenhilfe dann nicht in Betracht komme, wenn die Erhebung der Untätigkeitsklage nicht zuvor bei der Beklagten unter ausreichender Fristsetzung angedroht worden sei.
Zwar enthalte § 88 SGG eine Verpflichtung zu einer solchen Nachfrage nicht, sondern die Kläger können im Grundsatz damit rechnen, dass ihr Widerspruch innerhalb der Sperrfrist des § 88 Abs. l Satz l i.V.m. Abs. 2 SGG beschieden werde. Auf der anderen Seite gelte jedoch auch in dem zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Sozialleistungsverhältnis der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und auch der allgemeine Gedanke zur Schadensminderung, wie er z.B. in § 254 BGB Niederschlag gefunden habe, welcher hier die Notwendigkeit einer Sachstandsanf...