Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 1302, 1307, 1316. haftungsbegründende Kausalität. Nachweis. Wahrscheinlichkeit. PBC. Autoimmun-Mechanismus. Pflanzenschutzmittelexposition. Leberschädigung. Spezial-Agronom für Pflanzenschutz. Verkaufsberaterin für Pflanzenschutzmittel
Orientierungssatz
1. Zur Nichtanerkennung einer Leberschädigung einer Spezial-Agronomin für Pflanzenschutz und Verkaufsberaterin für Pflanzenschutzmittel, die einem beruflichen Kontakt mit den Pflanzenschutzmitteln Halogenkohlenwasserstoff (BK 1302), organischen Phosphorverbindungen (BK 1307) und Dimethylformamid (BK 1316) ausgesetzt war, als Berufskrankheit gem § 9 Abs 1 SGB 7 mangels Nachweises der haftungsbegründenden Kausalität im Sinne der Wahrscheinlichkeit.
2. Die Ursache einer Primär biliären Cholangitis (PBC) ist unbekannt. Ursächlich sind hierfür wahrscheinlich Autoimmun-Mechanismen.
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 12. November 2015 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Der Klägerin wird aus den Gerichtskosten ein Betrag in Höhe von 500,00 € auferlegt.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Leberschaden der Klägerin gesundheitliche Folge einer oder mehrerer Berufskrankheiten (BK) nach der Gruppe 13 (1302, 1307, 1310, 1316 oder 1317) der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung ist.
Die 1950 geborene Klägerin war nach ihrem Studium (1969 bis 1973) zunächst bis 1991 im A. Zentrum K. als Spezial-Agronom für Pflanzenschutz und hieran anschließend bis 1999 bei verschiedenen Unternehmen als Verkaufsberaterin für Pflanzenschutzmittel (PSM) beschäftigt.
Nach einer bei der Klägerin am 2. Juli 2008 durchgeführten Leberbiopsie äußerte das H.-Klinik W. in einem Arztbrief vom 28. Juli 2008 den Verdacht auf das Vorliegen einer primär biliären Zirrhose (PBC). Daraufhin leitete die Beklagte ein weiteres Berufskrankheitenverfahren zur Gruppe 13 der Liste der Berufskrankheiten ein. Bereits zuvor hatte die Beklagte die Anerkennung einer neurologischen Erkrankung der Klägerin als BK nach der BK-Gruppe 13 abgelehnt (Bescheid vom 25. Juni 2002, Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2003). Klage, Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde blieben erfolglos (Urteil des SG Schwerin vom 14. Juni 2005 - ; Urteil des LSG M-V vom 26. November 2012 - L 5 U 48/05; Beschluss des BSG vom 31. Juli 2013 - B 2 U 123/13 B).
Die Beklagte zog medizinische Unterlagen über die Klägerin bei und holte den Befundbericht des Chefarztes Dr. K. vom H.-Klinikum W. vom 22. April 2009 ein. Hierin hieß es, die Klägerin sei wegen einer Lebererkrankung erstmals dort am 15. April 2008 behandelt worden. Sie habe über seit 2007 bekannte Leberwerterhöhungen berichtet. Aufgrund der am 2. Juli 2008 durchgeführten Leberbiopsie habe sich eine geringgradige chronische und portal betonte Entzündung gefunden. Anhaltspunkte für eine PBC hätten sich am vorliegenden Material nicht ergeben. Die Veränderungen seien nach Ansicht der Pathologen am ehesten chemisch-toxischer Natur. Somit bestehe durchaus die Möglichkeit, dass es sich um einen medikamententoxischen Leberschaden durch früheren Pflanzenschutzmittelkontakt handeln könnte (die Klägerin habe angegeben, dass sie von 1973 bis 1979 in einem Argochemischen Zentrum regelmäßig mit Pflanzenschutzmitteln (PSM) in Berührung gekommen sei). Die Klägerin sei auf Ursodeoxycholsäure (UDC) eingestellt worden, unter dieser medikamentösen Therapie hätten sich die Leberwerte normalisiert. Nach Ansicht des Klinikums handele es sich um ein Mischbild der Frühform einer PBC und einer chemisch-toxischen Leberschädigung.
Die Fachärztin für Allgemeinmedizin/Betriebsmedizin Dr. G. gelangte in ihrer Stellungnahme vom 22. Juli 2009 zu der Beurteilung, dass sich die Lebertoxizität von Halogenkohlenwasserstoffen mit hepatoxischer Wirkung in einer Vergrößerung des Organs, durch Anstieg der Transaminasen im Serum und in unterschiedlichen histologischen Bildern äußere. Bei der Klägerin bestehe der Verdacht auf eine PBC. Deren Ursache gelte als unbekannt. Ursächlich seien wahrscheinlich Autoimmun-Mechanismen, weniger toxische Reaktionen. Sie empfahl eine weitere Begutachtung.
Die Beklagte beauftragte daraufhin Prof. Dr. Dr. R. mit der Erstellung eines internistischen Gutachtens. In seinem auf einer ambulanten Untersuchung der Klägerin vom 29. Oktober 2009 beruhenden Gutachten vom 14. April 2010 diagnostizierte dieser Gutachter bei der Klägerin u. a. eine PBC. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Leberschädigung als BK seien nicht erfüllt. Bei der Klägerin habe von 1973 bis 1999 eine berufliche Exposition gegenüber PSM bestanden. Im Jahre 1974 sei bei der Klägerin während der Pflanzenschutzzeit im Sommer eine Erhöhung der Leberwerte festgestellt worden, die jedoch im folgenden Dezember komplett rückläufig gewesen sei. Bei späteren betriebsärztlichen Untersuchungen ...