Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsanspruch gemäß § 104 SGB 10
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Sozialleistungsträger (hier Versorgungsamt) hat die ausschließliche Regelungsbefugnis eines anderen Trägers (hier: Unfallversicherungsträger für Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung an Unfallversicherte) zu respektieren. Das Erstattungsrecht (hier § 104 SGB 10) dient nicht dazu, einen Unfallversicherungsträger mit den Kosten für eine Leistung zu belasten, die er bindend gegenüber dem Versicherten abgelehnt hat. In einem derartigen Fall kann eine auf Erstattung gerichtete Leistungsklage mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig zu beurteilen sein.
2. Nach Rücknahme einer auf Erstattung gerichteten Leistungsklage kann diese nur erneuert werden, wenn eine Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist. Eine Änderung in diesem Sinn tritt nicht durch ein eine Leistung (hier: an einen Versorgungsberechtigten) betreffendes Urteil des Sozialgerichtes ein, weil die Rechtsprechung auch bei Wandlung ihrer Grundsätze nur das zum Ausdruck bringt, was bereits in der Vergangenheit gegolten haben sollte. Eine Änderung ergibt sich auch nicht durch ein ärztliches Gutachten, das bekannte Befunde anders bewertet.
3. Eine Feststellungsklage eines Sozialleistungsträgers, mit der die Leistungspflicht eines anderen Trägers gegenüber dessen Versicherten festgestellt werden soll, ist jedenfalls dann unzulässig, wenn auch ein Erstattungsanspruch gemäß § 104 SGB 10 geltend gemacht werden kann, weil die Leistungsverpflichtung ua Voraussetzung für die Erstattung ist.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 25. September 2002 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der übrigen Beteiligten beider Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die klagende Versorgungsverwaltung macht im vorliegenden Rechtsstreit einen Erstattungsanspruch gegen die beklagte Berufsgenossenschaft wegen der an den Beigeladenen G gezahlten Versorgungsleistungen geltend; weiter soll festgestellt werden, dass die beklagte Berufsgenossenschaft auch zukünftig verpflichtet ist, die Folgen der Gewalttat vom 30. Dezember 1990, die der Beigeladene G erlitten hat, zu entschädigen.
Der 1938 geborene Beigeladene G war als Gastwirt der Gaststätte "L " in R tätig, als er in der Nacht vom 29. Dezember 1990 zum 30. Dezember 1990 gegen 2.30 Uhr durch den 1966 geborenen Lagerarbeiter Jörg H angegriffen und zu Boden geschlagen wurde; er erlitt Verletzungen vor allem am Kopf und an der Schulter.
Die beklagte Berufsgenossenschaft erkannte durch Bescheid vom 10. Oktober 1994 die Verletzung als Arbeitsunfall an und stellte unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 30.Dezember 1990 bis 31. März 1991 fest; Rente lehnte sie ab. Dem bindend gewordenen Bescheid lagen das Gutachten des Dr.Hi vom 21. Juni 1993 und des Dr. Go vom 27. Juli 1994 zugrunde. Nach der Darstellung des Dr.Hi hat der Kläger etwa 2 bis 3 Tage nach der Tat ein Verwirrtheitssyndrom entwickelt, das als Durchgangssyndrom interpretiert worden sei. In der Folgezeit sei der Beigeladene aber zunehmend depressiv und leistungsbeeinträchtigt gewesen und habe dann mehrere Monate in der Psychiatrie stationär aufgenommen werden müssen. Derzeit finde sich eine depressive Verstimmung mit Antriebsverlangsamung und Regression, ohne dass sich deutliche Anzeichen für eine erworbene hirnorganische Schädigung im Sinne eines Psychosyndroms feststellen ließen, so dass weder in Bezug auf eine mögliche Folge eines früheren Alkoholabusus noch in Bezug auf eine Folge der Hochdruckenzephalopathie oder in Bezug auf eine Folge eines möglichen Hirntraumas entsprechende Ausfallerscheinungen zu finden seien. Nach dem Ergebnis der durchgeführten kernspintomographischen Untersuchung sei es ausgeschlossen, dass es bei dem Unfall zu einer primärtraumatischen Hirnschädigung gekommen sei. Damit könnten auch keine Folgeerscheinungen vorliegen. - Dr. Go führte aus, bei dem Ereignis habe der Beigeladene lediglich eine Gehirnerschütterung erlitten, die allerdings wegen des länger andauernden Durchgangssyndroms schwer gewesen sein müsse. Aber auch eine schwere Gehirnerschütterung hinterlasse keine bleibenden Schäden. Allerdings habe sie wahrscheinlich ein vorgeschädigtes Gehirn getroffen. Dafür sprächen die damals schon älteren Veränderungen im Hirncomputertomogramm, die unmittelbar nach dem Ereignis nachgewiesen worden seien. Sie stimmten mit den durch rezidivierende Durchblutungsstörungen verursachten Infarkten überein, die in der Kernspintomographie und auch im jetzigen Computertomogramm zu erkennen seien. Sie sprächen dafür, dass bei dem Beigeladenen G eine unfallunabhängige cerebrale arteriosklerotische Gefäßerkrankung vorliege. Die Rückbildung der Kommotionsfolgen seien daher zögernder verlaufen, als wenn sie ein völlig gesundes Gehirn getroffen hätten. Sie hätten sich aber vollständig zurückgebildet. Auffällig sei jedoch das psychische Bild, das der Beigeladene G biete, ...