Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung: Anerkennung einer Berufskrankheit. Ermittlung der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Basis einer Verletztenrente. Beurteilung der gesundheitlichen Folgen einer Lärmbelastung am Arbeitsplatz. Zuordnung einer Lärmschwerhörigkeit zu einer beruflich bedingten Lärmbelastung

 

Orientierungssatz

Eine aufgrund beruflicher Lärmbelastung eintretende Schwerhörigkeit zeigt sich stets als symmetrisch darstellbare Innenohrschwerhörigkeit. Tritt zudem eine Seitendifferenz der Schwerhörigkeit mit einem Schwerhörigkeitsgrad von mehr als 20 Prozent auf, so lässt sich die darüber hinausgehende Schwerhörigkeit, insbesondere wenn sie nicht als symmetrische Schwerhörigkeit besteht (hier: einseitige pantonale Schwerhörigkeit), nicht mehr auf eine berufliche Belastung zurückführen und ist damit als abgrenzbarer Teil einer Schwerhörigkeitserkrankung bei der Bestimmung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit durch eine Berufskrankheit nicht zu berücksichtigen.

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 24. Februar 2009 aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen einer Berufskrankheit (BK) der Ziffer 2301 (Lärmschwerhörigkeit) der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (in Folgendem: BK 2301).

Der 1949 geborene Kläger absolvierte von September 1964 bis Juli 1967 eine Maurerlehre und war danach als Maurer bzw. Feuerungsmaurer bis Oktober 1968 beschäftigt. Von November 1968 bis April 1970 leistete er seien Wehrdienst ab. Als Feuerungsmaurer war er sodann von Mai 1970 bis Dezember 1976 tätig, arbeitete danach von Januar 1977 bis Dezember 1979 erneut als Maurer. Von Januar 1980 bis Dezember 1982 war er erneut als Feuerungsmaurer beschäftigt und war danach von Januar 1983 bis Oktober 1992 als Maurer im Tiefbau tätig. Von November 1992 bis September 2002 arbeitete der Kläger erneut als Maurer. Ab 1. Oktober 2002 war der Kläger arbeitslos und übte in der Zeit vom Oktober 2002 bis November 2003 eine Tätigkeit in einer AB-Maßnahme aus. Von Dezember 2003 bis zum 15. Juli 2005 arbeitete der Kläger erneut als Maurer. Seitdem ist der Kläger arbeitslos.

Am 1. August 2000 erstattete die Fachärztin für Arbeitsmedizin Mehlhorn eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit bei der Beklagten. Hierin gab sie an, der Kläger leide an einer beidseitigen Hörminderung, die er auf seine berufliche Tätigkeit zurückführe. Ihrer Anzeige fügte sie die Untersuchungsbögen “Lärm„ vom 7. Mai 1993 und 28. Oktober 1999 sowie Audiogramme aus den Jahren 1993 und 1999 bei.

Die Beklagte holte einen Befundbericht der HNO-Ärztin Dipl. Med. W. ein, die angab, der Kläger sei ab 1999 Hörgeräteträger. Des Weiteren zog die Beklagte ein Vorerkrankungsverzeichnis über den Kläger von der Krankenkasse bei.

Die technischen Aufsichtsbeamten der Beklagten S. und H. ermittelten für die Beschäftigungsverhältnisse, wo die Zuständigkeit bei der Beklagten lag, über einen Zeitraum von ca. 14 ¾ Jahren einen Beurteilungspegel zwischen 86 bis 93 dB(A). In der Beschäftigungszeit von September 1964 bis August 1968, von Januar 1977 bis Dezember 1979 und ab dem 11. November 1992 habe der Beurteilungspegel 86 dB betragen, für die Beschäftigungszeit vom 19. Oktober 1992 bis 10. November 1992 habe er bei 93 dB gelegen (Bericht vom 27. Oktober 2000).

Die Beklagte zog weitere Audiogramme über den Kläger von Dipl. Med. W. der Jahre 1986, 1992 und 1999 bei. Sodann veranlasste die Beklagte eine Untersuchung des Klägers durch den Chefarzt der D. des Krankenhauses A-Stadt S.. In seinem Gutachten vom 4. Juli 2001 führte S. aus, beim Kläger bestehe audiometrisch eine reine Innenohrschwerhörigkeit unter Bevorzugung der hohen Frequenzen. Das Hörvermögen sei beidseits nicht völlig symmetrisch. Dies zeige sich sowohl im Ton - als auch deutlicher im Sprachaudiogramm. Im Audiogramm von 1992 sei bereits eine deutliche Seitendifferenz nachweisbar. Der Kläger habe über 35 Jahre eine versicherte Tätigkeit mit einer beruflichen Lärmexposition von mehr als 85 dB ausgeführt. Ein beruflich bedingter Hörverlust werde deshalb angenommen. Aus dem Sprachaudiogramm lasse sich ein prozentualer Hörverlust rechts von 40 % und links von 10 % ablesen. Die MdE schätze er mit 10 v. H. ein.

In ihrer Stellungnahme vom 1. August 2001 schloss sich die Gewerbeärztin Dipl. Med. P. der Einschätzung des S. an, dass beim Kläger eine berufsbedingte Schwerhörigkeit vorliege und die MdE 10 % betrage.

Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 25. Oktober 2001 erkannte die Beklagte eine BK 2301 beim Kläger und als Folgen der Berufskrankheit eine beginnende Innenohrhochtonschwerhörigkeit beidseits an. Ein Anspruch auf Verletztenrente bestehe nicht, da keine rentenberechtigende MdE (von mind. 20 v. H.) erreicht werde.

Mit Schreiben vom 20. Ja...

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