Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund. Asylbewerberleistung. Analogleistung. Anspruchseinschränkung. Einreise zum Zweck des Leistungsbezuges

 

Orientierungssatz

1. Bei der Prüfung, ob eine Leistungseinschränkung nach § 1a Abs 1 AsylbLG aF bzw § 1a Abs 2 AsylbLG nF eingreift, stellen sich schwierige Tatsachen- und Rechtsfragen, insbesondere ob der Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG tatsächlich das prägende Motiv für die Einreise nach Deutschland gewesen ist oder in diesem Zusammenhang nicht auch die Schaffung einer Lebensgrundlage für die Familie durch Erwerbstätigkeit oder die Umstände im Heimatland zu berücksichtigen sind.

2. Zudem wird in Rechtsprechung und Literatur vertreten, dass eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs 1 AsylbLG aF bzw § 1a Abs 2 AsylbLG nF aus Gründen der Verhältnismäßigkeit keine dauerhafte Leistungseinschränkung rechtfertigt, weil es sich nicht um eine verhaltensbedingte Leistungseinschränkung handelt (so etwa LSG Berlin-Brandenburg vom 20.9.2018 - L 23 AY 19/18 B ER = SAR 2018, 130 = juris RdNr 4 und SG Landshut vom 17.10.2018 - S 11 AY 153/18 ER = juris RdNr 42).

3. Darüber hinaus dürfte die Entscheidung des BVerfG vom 5.11.2019 - 1 BvL 7/16 = BVerfGE 152, 68 zur Verfassungsmäßigkeit von Sanktionen nach dem SGB 2 die grundlegende Frage der Vereinbarkeit der Anspruchseinschränkungen nach § 1a AsylbLG mit dem Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG) erneut aufwerfen.

 

Tenor

Den Antragstellern wird für die zweite Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt E., beigeordnet. Ratenzahlung wird nicht angeordnet.

 

Gründe

Den Antragstellern ist antragsgemäß Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Nach diesen Maßgaben hat die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Bremen vom 25.7.2019 zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels hinreichende Aussicht auf Erfolg aufgewiesen. Die Rechtsverfolgung ist auch nicht mutwillig gewesen. Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage hat das SG den auf die Gewährung höherer Leistungen nach dem AsylbLG gerichteten Eilantrag möglicherweise zu Unrecht abgelehnt.

Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Im Streit um die Gewährung von sog. Analog-Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG anstelle der den Antragstellern ursprünglich für die Zeit von Juni bis August 2019 durch Bescheid des Antragsgegners vom 27.5.2019 mit dem Vorwurf, in erster Linie wegen des Bezugs von Leistungen nach Deutschland eingereist zu sein, nach § 1a Abs. 1 AsylbLG (in der bis zum 21.8.2019 geltenden Fassung, im Weiteren a.F.; nun geregelt in § 1a Abs. 2 AsylbLG, BGBl. I 2019, 1294) nur eingeschränkt bewilligten Leistungen, ist es nicht ausgeschlossen und auch nicht fernliegend, dass die Antragsteller sowohl  einen Anordnungsanspruch als auch die besondere Eilbedürftigkeit der Sache (Anordnungsgrund) mit Erfolg hätten glaubhaft machen können. Bei der Prüfung, ob eine Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 1 AsylbLG a.F. bzw. nun § 1a Abs. 2 AsylbLG eingreift, stellen sich schwierige Tatsachen- und Rechtsfragen, insbesondere ob der Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG tatsächlich das prägende Motiv für die Einreise nach Deutschland gewesen ist oder in diesem Zusammenhang nicht auch die Schaffung einer Lebensgrundlage für die Familie der Antragsteller durch Erwerbstätigkeit (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 24.5.18 - L 8 AY 7/17 - Rn. 30 f.; LSG Berlin-Brandenburg v. 28.03.18 - L 15 AY 15/14 - Rn. 43 f.) oder die Umstände im Heimatland zu berücksichtigen sind (zur Prüfung des Einreisemotivs vgl. etwa Oppermann in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 1a AsylbLG, 2. Überarbeitung, Rn. 28 ff....

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