Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Zuzahlungen zu Arznei- und Verbandmittel. Praxisgebühr. Regelleistung
Orientierungssatz
Die Zuzahlungen zu Arznei- und Verbandmittel sowie die Praxisgebühr sind Bestandteil des Regelleistung und somit bis zur Belastungsgrenze nach § 62 Abs 1 S 2 SGB 5 vom Hilfeempfänger selbst aufzubringen.
Gründe
Die gem. §§ 172, 173 SGG zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Hannover vom 01. Juli 2005 ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass für das Begehren des Antragstellers kein Anordnungsanspruch besteht.
Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers bietet keinen Anlass zu einer anderen Betrachtungsweise.
Das Anliegen des Antragstellers zielt darauf, von den in den Vorschriften des Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) geregelten Zuzahlungen freigestellt zu werden. Diese könne er als Bezieher des Arbeitslosengeldes II - neben seinen anderen Ausgaben u.a. die Aufwendungen zur Ausübung seines Umgangsrechts mit seinen Kindern - nicht aufbringen. Dem Antragsteller sind zuletzt mit Bescheid vom 15. Juni 2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) bewilligt worden (bis zum 31. Dezember 2005, monatlicher Zahlbetrag im Juli und August 2005 723,17 €, ab September 2005 monatlicher Zahlbetrag 690,02 €). Anlass für den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 28. Juni 2005 war ein stationärer Krankenhausaufenthalt des Antragstellers vom 21. Juni bis 26. Juni 2005 im C. D. Er habe sich wegen der seinerzeitigen Mittellosigkeit nicht in der Lage gesehen, die Praxisgebühr in Höhe von 10,-- € zu tragen. Er müsse deshalb von der Zahlung der Praxisgebühr und den weiteren Beteiligungskosten im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung freigestellt werden.
Mit diesem Anliegen ist der Antragsteller erfolglos, weil er den dafür nötigen Anordnungsanspruch (das Bestehen des geltend gemachten Rechtes gegenüber der Antragsgegnerin) nicht glaubhaft gemacht hat. Als Bezieher von Leistungen nach dem SGB II muss er seinen Eigenanteil an den Kosten seiner gesundheitlichen Versorgung bis zur Belastungsgrenze nach § 62 Abs. 1 Satz 2 SGB V selbst aufbringen. Ein Anspruch gegen den Leistungsträger nach dem SGB II, den Eigenanteil zu übernehmen, besteht nicht. Die Vorschriften des SGB II enthalten dafür keine Anspruchsgrundlage.
Im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) war bis zum 31. Dezember 2003 in § 38 Abs. 2 BSHG bestimmt, dass die Zuzahlungen bei medizinischen Leistungen nach den Bestimmungen der gesetzlichen Krankenversicherung von Empfängern der Sozialhilfe - laufende Hilfe zum Lebensunterhalt - nicht zu tragen waren. Denn nach § 38 Abs. 2 BSHG mussten Hilfen nach diesem Unterabschnitt den im Einzelfall notwendigen Bedarf in voller Höhe befriedigen, wenn finanzielle Eigenleistungen der Versicherten, insbesondere 1. die Zahlung von Zuschüssen, 2. die Übernahme nur eines Teils der Kosten oder 3. eine Zuzahlung der Versicherten vorgesehen waren und nach den §§ 61 und 62 SGB V eine vollständige oder teilweise Befreiung durch die Krankenkasse nicht erfolgte. Der Sozialhilfeträger musste daher nach dieser Regelung die finanzielle Eigenbeteiligung des Hilfesuchenden aus Mitteln der Sozialhilfe übernehmen (vgl. Birk in Lehr- und Praxiskommentar - BSHG, 6. Aufl. 2003, § 38 Rdnr. 3; Schellhorn, Kommentar zum BSHG, 16. Aufl. 2002, § 38 Rdnr. 6).
Diese die Hilfeempfänger nach dem BSHG begünstigende Bestimmung wurde mit Wirkung ab 01. Januar 2004 aufgehoben, und zwar durch Art. 28, Nr. 4 c Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (- GMG - vom 14. November 2003, BGBl I, S. 2190, in Kraft ab 01. Januar 2004, Art. 37 Abs. 1 GMG). Durch die genannte Vorschrift wurde § 38 Abs. 2 BSHG mit Wirkung vom 01. Januar 2004 aufgehoben. Gleichzeitig wurde durch Art. 29 GMG die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung zur Durchführung des § 22 des BSHG (Regelsatzverordnung) geändert, indem die Wörter “sowie für Körperpflege und für Reinigung" durch die Wörter “für Körperpflege, für Reinigung sowie die Leistungen bei Kosten für Krankheit, bei vorbeugender und sonstiger Hilfe, soweit sie nicht nach den §§ 36 bis 38 des Gesetzes übernommen werden" ersetzt.
Aus diesem Regelungskonstrukt hat die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung geschlossen, dass ab 01. Januar 2004 kein Anspruch auf Übernahme der Praxisgebühr und anderer Eigenanteile im Gesundheitswesen besteht. Denn der Gesetzgeber habe durch die Aufhebung des § 38 Abs. 2 BSHG und die Änderung der Regelsatzverordnung selbst bestimmt, dass der nach den Vorschriften des SGB V zu übernehmende Eigenanteil (Praxisgebühr und die Zuzahlung zu Medikamenten) Bestandteil des Regelsatzes und somit Regelbedarf sei. Mit der normativen Festlegung eines bestimmten Bedarfs als Regelbedarf scheide die Möglichkeit aus, für diesen Bedarf - zusätzlich - einmalige Beihilfen zu gewähren, auch dan...