Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. Verstoß gegen eine räumliche Beschränkung. zuständiger Leistungsträger. Leistungspflicht der Behörde des tatsächlichen Aufenthaltsortes. Leistungsumfang
Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen des § 11 Abs 2 AsylbLG ist allein die Wirksamkeit einer ausländerrechtlichen Beschränkung maßgeblich. Diese tritt mit Bekanntgabe der Verfügung und nicht erst mit deren Unanfechtbarkeit ein (sog Tatbestandswirkung).
2. § 11 Abs 2 AsylbLG enthält in den Fällen des Zuwiderhandelns gegen eine ausländerrechtliche räumliche Beschränkung eine Leistungspflicht der Behörde des tatsächlichen Aufenthaltsorts.
3. Die Leistungspflicht der Behörde des tatsächlichen Aufenthalts umfasst sämtliche Leistungen der faktischen Bedarfsdeckung.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 21. November 2013 aufgehoben.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für die Zeit vom 29. November 2013 bis zur Beendigung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens über die Anordnung vom 29. November 2013 (VG Bremen: 4 V 2162) Leistungen nach § 11 Abs. 2 AsylbLG in Höhe von ungekürzten Leistungen gemäß § 3 AsylbLG zu gewähren.
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.
Gründe
I.
Der eigenen Angaben zufolge 1986 geborene Antragsteller ist syrischer Staatsangehöriger und reiste im Mai 2013, im Besitz eines italienischen Aufenthaltstitels, aus Italien nach Deutschland ein. Derzeit lebt er bei einer Cousine im Stadtteil C., R. Bereits zuvor hatte er sich ab Ende 2011 unter Nennung eines Aliasnamens und eines anderen Geburtsdatums im Bundesgebiet aufgehalten und war am 19. März 2012 nach Italien abgeschoben worden.
Am 15. Juli 2013 beantragte er bei der Ausländerbehörde der Antragsgegnerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG bzw. § 36 AufenthG und berief sich zum weiteren Verbleib in Deutschland auf Reiseunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen. Nach den Befundberichten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. D. des Neurologisch-psychiatrischen Versorgungszentrums R. vom 30. Mai 2013 und 28. Januar 2014 (Diagnose: Depressive Episode ICD-10: F32.8, Posttraumatisches Stresssyndrom ICD-10: F43.1) sei bei einer Rückführung nach Italien mit einer Eigengefährdung zu rechnen. Zudem sei eine therapeutische Behandlung in der Nähe der Halt gebenden Familie - eine Schwester und ein Schwager des Antragstellers wohnen in S., eine weitere Schwester in T. und in R eine Cousine - dringend erforderlich. Eine Umverteilung innerhalb Deutschlands würde zu einer deutlichen Befundverschlechterung führen.
Mit am 19. Juli 2013 bei der Antragsgegnerin eingegangenem Schreiben vom 15. Juli 2013 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Gewährung von Sozialleistungen.
Der Antragsteller hat am 30. Oktober 2013 beim Sozialgericht Bremen (SG) einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt mit dem Ziel, von der Antragsgegnerin existenzsichernde Leistungen nach dem AsylbLG zu erhalten.
Mit Bescheid vom 6. November 2013 hat die Antragsgegnerin den Antrag vom 19. Juli 2013 mit der Begründung abgelehnt, der Antragsteller zähle als Inhaber einer italienischen Aufenthaltserlaubnis nicht zum Kreis der Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 AsylbLG und könne auch gemäß § 23 SGB XII keine Sozialhilfe beanspruchen, weil er zum Zweck einer Behandlung oder Linderung einer Krankheit nach Deutschland eingereist sei.
Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 21. November 2013 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass der Antragsteller nicht leistungsberechtigt nach dem AsylbLG sei. Zudem überzeuge sein Vorbringen zu seiner Reiseunfähigkeit nicht, sodass eine angemessene medizinische Behandlung des Antragstellers auch in Italien erfolge könne. Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller am 22. November 2013 Beschwerde eingelegt.
Mit Verteilungsbescheid vom 29. November 2013 hat die Ausländerbehörde der Antragsgegnerin das länderübergreifende Umverteilungsverfahren nach § 15a AufenthG (Zuweisung unerlaubt eingereister Ausländer) durchgeführt und den Antragsteller der Aufnahmeeinrichtung des Landes Schleswig-Holstein in Neumünster zugewiesen. Zugleich hat sie dem Antragsteller einen Fahrgutschein der Deutschen Bahn ausgehändigt, damit dieser der Anordnung aus dem Verteilungsbescheid, sich unverzüglich in diese Einrichtung zu begeben, nachkommen kann. Gegen den Verteilungsbescheid hat der Antragsteller sowohl Klage als auch einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim Verwaltungsgericht (VG) Bremen erhoben (- 4 V 2162; 4 K 2161/13 -). Soweit ersichtlich ist in diesen Verfahren noch keine Entscheidung ergangen.
Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin ihre Zuständigkeit nach dem AsylbLG bis zum Ze...