Entscheidungsstichwort (Thema)
Aushändigung von Krankenbehandlungsgutscheinen an den Asylbewerber außerhalb des Bereichs der festgelegten räumlichen Beschränkung durch einstweiligen Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Steht dem Antragsteller ein von ihm geltend gemachter Anspruch voraussichtlich zu und ist ihm nicht zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten, so hat der Antragsteller vorläufig Anspruch auf die beantragte Leistung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
2. Nach § 11 Abs. 2 AsylbLG darf Leistungsberechtigten in den Teilen der BRD, in denen sie sich einer asyl- oder ausländerrechtlichen räumlichen Beschränkung zuwider aufhalten, die für den tatsächlichen Aufenthaltsort zuständige Behörde nur die nach den Umständen unabweisbar gebotene Hilfe leisten. Leistungen an einem anderen Ort setzen Gründe voraus, die ein Verbleiben dort zwingend erfordern und eine Rückkehr unzumutbar erscheinen lassen.
3. Ist die Befürchtung des Asylbewerbers, bei der Abholung von Krankenbehandlungsscheinen am Sitz der örtlich zuständigen Behörde inhaftiert zu werden und von einer baldigen Abschiebung bedroht zu sein, nicht von der Hand zu weisen und kommt ein im Einzelfall besonderes darüber hinaus gehendes Interesse hinzu, so sind dem Antragsteller im Weg der einstweiligen Anordnung vorläufig zur Sicherstellung der erforderlichen medizinischen Behandlung für die Zeit seines Aufenthalts außerhalb des Bereiches der festgelegten räumlichen Beschränkung Behandlungsscheine durch den Leistungsträger des AsylbLG zu gewähren.
Tenor
Die Nr. 1 des Beschlusses des Sozialgerichts Osnabrücks vom 7. März 2008 wird klarstellend wie folgt gefasst:
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig zur Sicherstellung der erforderlichen medizinischen Behandlung und Versorgung Behandlungsscheine zu gewähren beginnend mit dem 20. März 2008 bis zur Entscheidung über die Klage vom 26. Mai 2008 gegen den Bescheid vom 29. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2008, längstens bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts Osnabrück über die Klage vom 14. Februar 2008 gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 4. Februar 2008.
Die Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin beider Instanzen hat der Antragsgegner zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Aushändigung von Krankenbehandlungsscheinen nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für den Zeitraum ab dem 20. März 2008 durch Aushändigung an ihren Prozessbevollmächtigten für die Zeit ihres Aufenthaltes außerhalb des Bereichs der festgelegten räumlichen Beschränkung.
Die am 22. November 1976 geborene Antragstellerin ist kamerunische Staatsangehörige. Sie reiste im September 1999 ohne Personalpapiere in die Bundesrepublik ein und beantragte am 28. September 1999 ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Die Antragstellerin wurde asylverfahrensrechtlich der Stadt F. im Bereich des Antragsgegners zugewiesen. Der Asylantrag wurde durch Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 12. Oktober 1999 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Der hiergegen eingelegte Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde durch Beschluss des Verwaltungsgerichts (VG) G. vom 29. November 1999 -H. - abgelehnt, die eingereichte Klage durch Urteil vom 17. Januar 2000 -I. - abgewiesen; die letztgenannte Entscheidung ist seit dem 22. Oktober 1999 rechtskräftig. Nach Abschluss des Asylverfahrens wurde sie wegen fehlender Heimreisepapiere geduldet; in diesen Duldungen war der Aufenthalt auf den Bereich der Stadt F. und den Bereich des Antragsgegners beschränkt. In der Zeit vom März 2000 bis Ende Juli 2005 war die Antragstellerin unbekannten Aufenthalts. Im Sommer 2005 wurde bei der Antragstellerin eine HIV-Infektion diagnostiziert; wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheinigung der Medizinischen Hochschule J. vom 15. Oktober 2007 (Bl. 51 f. der Gerichtsakte) verwiesen. Der Antrag auf Durchführung eines Asylfolgeverfahrens vom 11. August 2005 wurde durch Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. Dezember 2005 abgelehnt; dabei ging das Bundesamt davon aus, dass eine HIV-Infektion nicht nachgewiesen sei. Die hiergegen eingereichte Klage wurde durch Urteil des VG G. vom 6. März 2006 -K. -, rechtskräftig seit dem 30. März 2006, abgewiesen; dabei ging das VG davon aus, dass der Antragstellerin im Falle einer Rückkehr nach Kamerun die notwendigen Medikamente für eine Behandlung ihrer Krankheit zur Verfügung stünde. Durch Bescheid des Antragsgegners vom 17. November 2006 wurde die Antragstellerin u.a. wegen strafrechtlicher Verurteilungen ausgewiesen. Die hiergegen eingereichte Klage wurde durch Urteil des VG G. vom 14. Mai 2007 -L. - abgewiesen. Der Zulassungsantrag wurde durch Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsger...