Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. außerklinische Intensivpflege. Schulbegleitung. medizinische Notwendigkeit. Stoffwechselstörung. regelmäßige Nahrungsaufnahme. sozialgerichtliches Verfahren. vorläufiger Rechtsschutz
Leitsatz (amtlich)
Kein Anspruch auf Gewährung einer Schulbegleitung in Form der außerklinischen Intensivpflege, wenn aufgrund einer Stoffwechselstörung eine besondere Form und Regelmäßigkeit der Ernährung notwendig ist.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 23. August 2024 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Gewährung einer Schulbegleitung in der Form der außerklinischen Intensivpflege.
Der im Jahre 2015 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert. Er leidet an einem VLCAD-Enzymmangels (ICD-Code E71.3). Diese angeborene Stoffwechselstörung führt zu einer gestörten Verstoffwechselung langkettiger Fettsäuren, wodurch es ohne entsprechende diätetische Maßnahmen zu lebensbedrohlichen Krankheitszuständen wie Kardiomyopathie, Hepatopathie, Muskelschwäche und Hypoglykämie kommen kann. Solche Symptome treten insbesondere bei katabolen Stoffwechsellagen auf, wie sie etwa durch verlängerte Fastenperioden, Infekte, Operationen oder die Zufuhr von langkettigen Fettsäuren über die Nahrung ausgelöst werden. Zur Vermeidung dieser Zustände ist der Antragsteller auf eine spezielle Diät angewiesen, die regelmäßige Nahrungsaufnahme sowie eine Reduzierung der Zufuhr langkettiger Fettsäuren umfasst. Zudem müssen Fastenperioden vermieden werden, und die Fettzufuhr darf maximal 25 bis 30 % der täglichen Energiezufuhr betragen. Bei akuten Erkrankungen wie Fieber, Durchfall oder Erbrechen ist eine Glukose-Infusion oder die orale Verabreichung von Dextrose-Lösungen (Maltodextrin) erforderlich.
Der Antragsteller ist in Pflegegrad 2 eingestuft und bezieht Pflegegeld. Die Antragsgegnerin bewilligte ihm bereits für das erste und zweite Schuljahr eine Schulassistenz, welche von der gemeinnützigen Gesellschaft für paritätische Sozialarbeit mbH in G. erbracht wurde.
Mit Antrag vom 28. Mai 2024 begehrte der Antragsteller die Übernahme der Kosten für häusliche Krankenpflege für das Schuljahr 2024/2025, beginnend ab dem 5. August 2024, in Form einer Krankenbeobachtung während des Schulbesuchs. Nach den Angaben der behandelnden Kinderärztin Dr H. aus der ärztlichen Verordnung vom 30. April 2024 soll insbesondere auf die regelmäßige Nahrungsaufnahme geachtet und im Falle von Erbrechen Maltodextrin verabreicht werden. Zudem soll dem Antragsteller um 10:00 Uhr und um 12:00 Uhr MCT-Öl verabreicht werden.
Mit Bescheid vom 22. Juli 2024 und korrigierendem Bescheid vom 26. Juli 2024 bewilligte die Antragsgegnerin als Sondervereinbarung häusliche Krankenpflege im Umfang von zwei täglichen Einsätzen des Pflegedienstes während der Schulzeit, um die Gabe des MCT-Öls sicherzustellen. Eine darüberhinausgehende Versorgung sei nicht erforderlich.
Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller am 30. Juli 2024 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass ihm mit der bewilligten häuslichen Krankenpflege nicht geholfen sei. Die Krankheit zeige sich bei Kindern häufig dann, wenn über einen bestimmten Zeitraum keine Nahrung aufgenommen und so die Energiereserven aufgebraucht werden oder wenn sie aufgrund von körperlicher Betätigung oder Krankheit einen erhöhten Bedarf an Kalorien hätten. Der Blutzuckerspiegel sinke stark ab und verursache Verwirrtheit und Kummer. Das Kind werde schwach, Erbrechen und Krampfanfälle könnten auftreten. Neben der fettarmen Diät und der Zufuhr von MCT-Fett als Energielieferant seien regelmäßige Mahlzeiten ein entscheidender Bestandteil der Therapie. Die Schulbegleitung achte also darauf, dass ausreichend und richtig gegessen werde und ergreife zusätzliche Maßnahmen im Falle des Erbrechens. Über den Widerspruch ist bislang noch nicht entschieden.
Zeitgleich hat der Antragsteller vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Er hat vorgetragen, dass es ohne eine diätetische Behandlung zur Krankheitssymptomen kommen könne, die akut auftreten und lebensbedrohlich sein könnten. Die Dauerbehandlung bestehe aus einer Diät mit häufigen Mahlzeiten zur Vermeidung von Hypoglykämien sowie einer Reduzierung der Zufuhr langkettiger Fettsäuren. Auch nüchterne Perioden müssten vermieden werden und die Fettzufuhr müsse reguliert werden. Mit den bewilligten Leistungen könnten lebensbedrohliche Situationen während des Schulbesuches nicht vermieden werden. Nur mit einer häuslichen Krankenpflege in Form der Schulassistenz könne darauf geachtet werden, dass die Mahlzeiten in genügender Menge eingenommen würden, dass ausreichend Kohlenhydrate aufgenommen würden und dass keine Mahlzeiten verweigert würden. Zu bedenken sei, dass der Antragsteller häufig erbreche. Nach solchen Phasen greife der Körper auf seine...