Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung. rechtzeitiges Vorbringen von Sachvortrag im Widerspruchsverfahren. Prozesskostenhilfeantrag. Voraussetzungen für Vollständigkeit und Bewilligungsreife

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung iS des § 114 ZPO, wenn die Möglichkeit einer gezielten rechtlichen Überprüfung der angefochtenen Entscheidung bereits im Widerspruchsverfahren mangels Begründung des Widerspruchs nicht ernsthaft genutzt worden ist.

2. Ein vollständiger und damit bewilligungsreifer PKH-Antrag setzt voraus, dass der Antragsteller eine substantiierte Darlegung des Streitverhältnisses vorlegt, die es dem Gericht ermöglicht, die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung zu prüfen. Es ist zumindest der Sachverhalt zu schildern und wenigstens im Kern deutlich zu machen, auf welche rechtliche Beanstandung die Klage gestützt wird.

 

Normenkette

ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, § 117 Abs. 1 S. 2; SGB X § 63 Abs. 1; SGG §§ 73a, 96

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 7. September 2018 (S 44 AS 336/18) wird zurückgewiesen.

Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ihr vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig geführtes Klageverfahren S 44 AS 336/18. Diese Klage richtet sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 27. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2018 (Bewilligungszeitraum: Januar bis April 2018).

Die 1985 geborene Klägerin zu 1. bezog gemeinsam mit ihrem 2011 geborenen Sohn (Kläger zu 2.) im Jahr 2017 vom Beklagten laufende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Mit Bescheid vom 27. Dezember 2017 gewährte der Beklagte auch für die Monate Januar bis April 2018 SGB II-Leistungen iHv monatlich 664,88 Euro (Januar bis März 2018) bzw 568,37 Euro (April 2018). Mit Bescheid vom 3. Januar 2018 reduzierte der Beklagte die Leistungsbeträge auf monatlich 598,88 Euro (Februar und März 2018) bzw 502,37 Euro (April 2018), um sodann mit Bescheid vom 24. Januar 2018 den Leistungsbetrag für den Monat Januar 2018 auf 751,05 Euro zu erhöhen (Berücksichtigung der Verdienstabrechnung für den Monat Dezember 2017 verbunden mit einer Nachzahlung für den Folgemonat iHv 152,05 Euro).

Gegen (ausschließlich) den Bescheid vom 27. Dezember 2017 legten die Kläger am 26. Januar 2018 den dem vorliegenden Verfahren zugrundeliegenden Widerspruch ein, den sie inhaltlich nicht begründeten. Der Beklagte wies den Widerspruch „nach Erlass der Änderungsbescheide vom 03.01.2018 (Zeitraum 01.02.2018 bis 30.04.2018), 09.01.2018 (Zeitraum 01.02.2018 bis 28.02.2018) sowie Änderungsbescheid vom 24.01.2018 (Zeitraum 01.01.2018 bis 31.01.2018)“ mit Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2018 zurück.

Hiergegen haben die Kläger am 5. März 2018 beim SG Klage erhoben. Zur Begründung haben sie vorgetragen, dass der Bewilligungszeitraum nicht den gesetzlichen Vorgaben entspreche. Die Länge des Bewilligungszeitraums sei gesetzlich auf ein Jahr (so: Schriftsatz vom 23. April 2018) bzw auf sechs Monate (so: Schriftsatz vom 16. Juli 2018) festgelegt. Zudem seien die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu übernehmen, da dem Widerspruch „hinsichtlich des Einkommens und der Miete abgeholfen“ worden sei.

Das SG hat die Gewährung von PKH für das erstinstanzliche Verfahren mit der Begründung abgelehnt, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe. Die Klage sei auf Leistungen über den geregelten Zeitraum hinaus bis einschließlich Juni 2018 gerichtet. Diesen Zeitraum habe der Beklagte jedoch bereits durch mehrere andere Bescheide geregelt, die ihrerseits Gegenstand von Widerspruchs- und Klageverfahren (gewesen) seien (zB Klageverfahren S 44 AS 777/18). Hinsichtlich der im Widerspruchsbescheid getroffenen Kostenentscheidung folge das SG den Ausführungen des Beklagten in dessen Schriftsatz vom 8. Mai 2018 (Beschluss vom 7. September 2018).

Gegen den den Klägern am 13. September 2018 zugestellten Beschluss richtet sich ihre am 10. Oktober 2018 eingelegte PKH-Beschwerde. Es sei nicht ersichtlich, warum die Kostenquote für das Widerspruchsverfahren richtig sein solle. Es seien auf den Widerspruch Änderungsbescheide erlassen worden, so dass die Kosten zu übernehmen seien. Auch nach Erlass der Änderungsbescheide sei der vom Beklagten festgesetzte viermonatige Bewilligungszeitraum „nach wie vor rechtswidrig“.

Der Beklagte hat auf Nachfrage des Senats klargestellt, dass der im Verfügungssatz des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2018 genannte Bescheid vom 9. Januar 2018 nicht den streitbefangenen Zeitraum betrifft; es sei davon auszugehen, dass sich die damalige Sachbearbeiterin im Jahr geirrt habe. Zu den Gründen der Befristung des Bewilligungszeitraums auf vier Monate könne der Beklagte „leider keine Angaben machen“. Es könne nicht mehr nachvollzogen werden, weshalb eine Bewill...

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