Entscheidungsstichwort (Thema)

Minderung des Arbeitslosengeld II. Sanktionszeitraum von 3 Monaten trotz verkürzter Dauer einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe nach dem SGB 3 auf 6 Wochen. Verkürzung der Sanktionsdauer nur bei unter 25-Jährigen. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Der Minderungszeitraum beträgt bei einer Pflichtverletzung nach § 31 SGB II für Hilfeempfänger, die das 25. Lebensjahr vollendet haben, drei Monate, auch wenn die nach Maßgabe des SGB III festgestellte Sperrzeit auf sechs Wochen verkürzt wurde. In einem solchen Fall lässt es der eindeutige Wortlaut des § 31b Abs 1 S 3 SGB II nach keiner juristischen Auslegungsmethode zu, abweichende Sanktionszeiträume festzusetzen. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen insoweit nicht.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 25.10.2017; Aktenzeichen B 14 AS 11/17 R)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 28. Juli 2016 wird aufgehoben.

Die Klage gegen die Bescheide des Beklagten vom 22. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2014 wird abgewiesen.

Kosten sind für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Dauer einer sanktionsbedingten Minderung von Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Die 1984 geborene Klägerin wurde am 12. Juni 2013 arbeitslos, nachdem - soweit sich dies den dem Senat vorliegenden Akten entnehmen lässt - sowohl ihr Arbeitgeber als auch sie selbst das Beschäftigungsverhältnis zu diesem Zeitpunkt fristlos gekündigt hatten. Die Klägerin beantragte daraufhin bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) Arbeitslosengeld I (Alg I) nach Maßgabe des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III). Nachdem die BA der Klägerin zunächst Alg I für eine noch bestehende Restanspruchsdauer bewilligt hatte (13. Juni bis 4. September 2013), stellte sie später den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe fest. Gleichzeitig hob die BA die zuvor erfolgte Alg I-Bewilligung vollständig auf und lehnte die Gewährung von Alg I auch für die Zeit nach Ablauf der Sperrzeit mit der Begründung ab, dass aufgrund der sperrzeitbedingten Minderung des Alg I-Anspruchs um 84 Tage kein Alg I-Restanspruch mehr bestehe (Bescheid der BA vom 9. August 2013).

Am 18. Juni 2013 beantragte die Klägerin beim Beklagten Alg II nach Maßgabe des SGB II. Diesen Antrag lehnte der Beklagte für den Monat Juni 2013 wegen fehlender Hilfebedürftigkeit ab (bestandskräftiger Ablehnungsbescheid vom 22. August 2013). Für die Zeit vom 1. Juli bis 30. November 2013 bewilligte der Beklagte Alg II i.H.v. monatlich 651,40 Euro (Juli und August 2013), 720,16 Euro (September 2013) bzw. 766,-- Euro (Oktober und November 2013; vgl. im Einzelnen: Bewilligungsbescheid vom 22. August 2013). Die unterschiedlichen Leistungsbeträge begründete der Beklagte mit einer Minderung der Regelbedarfsleistungen um 30 Prozent für die Zeit vom 13. Juni bis 12. September 2013, nachdem die BA den Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe festgestellt habe (Pflichtverletzung nach § 31 Abs 2 Nr 3 SGB II, vgl. Absenkungsbescheid vom 22. August 2013).

Gegen diese dreimonatige Minderung ihres Alg II-Anspruchs legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, dass die von der BA festgestellte Sperrzeit im Wege eines im Januar 2014 mit der BA vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg geschlossenen Vergleichs auf sechs Wochen reduziert worden sei (Az. des SG: H.).

Der Beklagte wies den Widerspruch mit der ergänzenden Begründung zurück, dass auch eine nur sechswöchige Sperrzeit den Sanktionstatbestand des § 31 Abs 2 Nr 3 SGB II erfülle. Die Dauer der Sanktion betrage für über 25-jährige Hilfeempfänger ausnahmslos drei Monaten. Eine Verkürzung sei nicht möglich (Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2014).

Hiergegen hat die Klägerin am 26. Februar 2014 beim SG Lüneburg Klage erhoben und geltend gemacht, dass § 31b Abs 1 Satz 3 SGB II verfassungskonform auszulegen sei. Bei einer nur sechswöchigen Sperrzeit betrage auch die Minderung des SGB II-Anspruchs lediglich sechs Wochen.

Das SG hat der Klage stattgegeben und die über sechs Wochen hinausgehende Minderung des SGB II-Leistungsanspruchs aufgehoben. Zwar sei der Beklagte an die durch die BA erfolgte Feststellung der Sperrzeit gebunden. Auch sehe § 31b Abs 1 Satz 3 SGB II für den vorliegenden Fall zwingend eine Minderungsdauer von drei Monaten vor. Die Kammer halte diesen eindeutigen Wortlaut jedoch für nicht sachgerecht. Da der Regelbedarf das Existenzminimum decke, führe die starre Sanktionsdauer zu Zweifeln an der Verhältnismäßigkeit. Die Kammer folge der Rechtsauffassung des SG Aachen in seinem Urteil vom 30. September 2013 - S 5 AS 603/13 -, wonach aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die Dauer des Minderungszeitraums grundsätzlich derjenigen der Sperrzeit entspreche (Urteil vom 28. Juli 2016, dem Beklagten am 26. August 2016 zugestellt).

Auf die vom Beklagten am ...

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